Cirque Gourmet - Genießerhotels Nr. 21

16 Cirque Gourmet 2020 17 Cirque Gourmet 2020 C U I S I N E A L P I N E Traunsee« mit seiner regionsbezogenen Handschrift auf dem Teller seit Jahren für enormes Aufsehen sorgt. »Wir hingegen haben eine Tradition und eine kulinarische Kultur. Ein Vergleich macht mir daher keine Angst.« Er erinnert an die Zeiten als das Salzkammergut die Sommerresidenz des Kaiserpaares war. »Daher stand das gute Essen, das Herkunft und Weltoffen- heit miteinander verbindet, bei uns schon immer im Vordergrund.« Bei der Spuren- suche, warum die Alpine Küche so gewaltig erblüht, müsse man seiner Meinung nach viel tiefer gehen. »Es geht den Gästen darum, den Geschmack ihrer Kindheit wie- der zu erleben. Sehnsucht zu stillen.« Dem pflichtet auch Alexander Gründler vom Ge- nießerhotel Alpin am Tiroler Achensee bei. »Unsere Zeit ist so brutal schnelllebig ge- worden. Alles muss sofort geschehen. Dazu die Unmengen an E-Mails, die stän- dige Erreichbarkeit durch das Handy und die Social-Media-Welt, die uns permanent eine Perfektion vorgaukelt, der kein echtes Leben standhalten kann ...« In all dieser an- dauernden Überforderung bilden der echte Geschmack und ehrliche Produkte quasi eine Oase der Ruhe und der Besinnung. Das gelebte Miteinander Reinanke, Bergkäse, Waldheidelbeeren, Gamsbock, heimische Pilze, Milchpro- dukte, Wildkräuter: Die köstliche Spiel- wiese, auf der sich die Spitzenköche der Alpen austoben können, ist groß. »Und wenn man bedenkt, wie karg und hart das Leben in den Alpen einst war, muss man hinzufügen, dass das Wenige was die Men- schen hatten, vor allem eines war: richtig gut. Es war und ist bis heute ihr ganzer Stolz«, gibt Gregor Wenter vom Südtiroler Genießerhotel Bad Schörgau zu bedenken. Dem stimmt auch Hannes Müller zu. Je- doch funktioniere der Kreislauf der Alpinen Küche nur, wenn die Produzenten ins Boot geholt werden. »Im Einfachen liegt das größte Geschenk. Wir müssen darauf achten, dass der Bauer und der Produzent die Wertschätzung bekommen, die sie ver- dienen.« Darin liegt seiner Meinung nach die Kraft. Handel ohne Zwischenhandel. Und so haben sich die Köche längst aufge- macht, in ihrem jeweiligen Stück der Alpen Netzwerke mit Landwirten zu bilden. Nicht nur, um einzigartige, teils fast vergessene Zutaten als Basis ihrer kreativen Schöpfun- gen zu gewinnen, sondern auch, um die Wertschöpfung in der Region zu behalten. »Ich will den Menschen dahinter kennen«, bringt Lukas Nagl sein und das Bedürfnis seiner Kollegen auf den Punkt. »Es menschelt viel zu wenig.« Berg.See.Küche, die klar definiert, welch eng gesteckten und authentischen Radius die Zutaten für seine geschmackvolle Vision haben. Dies ist die zweite Stärke der Alpi- nen Küche. Denn ob Salzkammergut, Salzburger Land, Vorarlberg, Saanenland, Sarntal oder Achental: Die kulinarischen Protagonisten, die ihre Wurzeln zum Trend erheben, feiern die köstliche Kraft ihrer jeweiligen alpinen Region – ohne dabei das heutzutage ausgiebig erschöpfte Wort »Nachhaltigkeit« permanent in den Vorder- grund zu stellen. Denn es geht für sie dabei nicht vorrangig darum, den Vorteil für die Umwelt, die regionalen Produzenten und die Qualität und Frische der Produkte unentwegt zu betonen. Sondern darum, dem natürlichen Verlauf des Jahres zu fol- gen, das Erbe ihrer Vorfahren zu achten, fast vergessenes Wissen am Leben zu hal- ten, Respekt zu zeigen, Altes mit neuem Schwung zu beleben – und beim Kochen einfach Spaß zu haben. Dieser rundet dann ab, was Gourmets besonders zu schätzen wissen: Die ureigene Handschrift eines Kochs. Sein Stil, den er nicht selten auf Rei- sen durch die Welt schulte. Der ihn von allen anderen unterscheidet und die Vielfalt der Alpen und die Facetten der einzelnen Täler letztlich in unnachahmbarer Indivi- dualität interpretiert. Geschichte, die gut schmeckt Rückblick. Vor 15 Jahren hatten die Ko- penhagener Köche René Redzepi und Claus Meyer die Idee, die Nordische Küche neu zu erfinden. Dabei setzten sie auf regionale Grundprodukte, alte Küchentraditionen und eroberten damit die Welt der Gourmet Cuisine. Binnen kürzester Zeit wurde ihr Restaurant Noma vier Mal zum besten Res­ taurant der Welt gekürt. Die Sterneköche der skandinavischen Länder, die dem Hype folgten, wurden zu Stars. Geht es den Kö- chen der Alpen darum, diesen Erfolg zu ko- pieren? Beim besten Willen nicht. »Als der Trend damals begann, war die Nordische Küche ein komplett leeres Blatt«, erinnert Lukas Nagl, der im Genießer-Seehotel »Das »Man kann die Alpine Küche nicht über einen Kamm scheren. Wir sprechen dabei von acht verschiedenen Ländern. Mein Anspruch ist daher die kulinarische Weiterentwicklung in meiner Region. Das ist für mich kein Trend, sondern Überzeugung!« So Lukas Nagl vom Genießerhotel »Das Traunsee« im Salzkammergut. Fotos (2): Thomas Apolt/Brandstätter Verlag Foto: Lukas Kirchgasser Foto: Rupert Mühlbacher »Die Natur und die Saison sind der beste Garant für eine kreative Küche. Man muss nur die Augen aufmachen.« ALEXANDER GRÜNDLER ACHENTAL/TIROL »Das Salzkammergut bietet so viele tolle Fischarten. Da macht das Kochen einfach nur Freude«, findet Lukas Nagl. »Wir versuchen alles, was die Natur im Saanenland bietet, auf unsere Teller zu bringen. An solche Produkte kommen keine ausländischen Nahrungsmittel ran. Hand in Hand mit der Region arbeiten, endet bei uns aber nicht in der Küche, auch Aufträge an Handwerker werden nur im nahen Umkreis vergeben.« STEVE WILLIÉ, SAANENLAND/SCHWEIZ

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