Cirque Gourmet 23
15 Cirque Gourmet 2022 14 Cirque Gourmet 2022 Leicht war es nicht für Philip Rachinger im Mühltalhof die Latte zu überspringen, die ihm sein Vater Helmut hoch gelegt hatte. Aber nach Lehrjahren in Tophäusern in Wien, London oder Paris nahm der Junior die Hürde mit Bravour und erkochte mit seinem engagierten Team vier Gault-Millau-Hauben. Man kann natürlich auch einfach Küche sagen, aber für Philip Rachinger ist der Ort, an dem seine ausgezeich- neten Gerichte entstehen, das »bro- delnde, pochende, heiße Herz des Hauses.« Allein an dieser Formulierung sieht man, dass im Mühltalhof nicht mit dem Kochlöffel allein, sondern mit purer Leidenschaft gekocht wird. Seit 1698 stehen in nunmehr sechster Generation die Rachingers an den Kochtöpfen, und Philip schreibt in dieser Geschichte längst sein eigenes Kapitel – auch wenn er dann und wann noch ein Rezept seiner Oma Walpurga zu Rate zieht. In die Karte zu schauen, ist hier nicht üblich. Der routinierte Mühltalhof-Gast lässt sich nämlich überraschen. Das Motto lautet: »Entscheiden Sie sich dafür, nichts zu entscheiden. Wir kochen mit dem, was uns die Natur bietet. Geben Sie uns die Chance, lassen Sie sich darauf ein.« 48 von 50 Gästen tun das und bereuen ihr Ver- trauen nicht. Denn am stärksten ist Philip Rachinger, wenn man ihn einfach tun lässt. Und was es zu essen gibt, erfährt man eh, wenn der Teller kommt. TRUMPF IM ÄRMEL: DIE HAUBENKÜCHE IM MÜHLTALHOF ucht man das spannendste, originellste und kreativste Vater-Sohn-Gespann des Landes im Bereich der Top-Gastronomie, führt kein Weg an Helmut und Philip Rachinger vorbei. Der Küchen-Altmeister und sein Vier-Hauben-Junior haben den kleinen Mühlviertler Ort Neufelden gemeinsam mit Helmuts Schwester Johanna Eckl zu einer Pilgerstätte für Schlemmer und Genießer gemacht. Und das immer den eigenen Ideen entlang, niemals irgendwelchen Trends hinterherhechelnd. Reibung gibt es bei Vater und Sohn natürlich – aber die dient der Erzeugung kreativer Energie, wie auch unser Tischgespräch beweist. Ein Gespräch, bei dem die Keramikerin und Künstlerin Elfriede Ruprecht-Porod und ihre beiden Gastgeber draufkamen, dass die Arbeit an Küchenherd und Brennofen durchaus Gemeinsamkeiten aufweisen kann. Wir trinken unser Wasser hier nicht aus Gläsern, sondern aus wunderschönen Keramikbechern. Ist das eine aufmerksame Geste der Höflichkeit der anwesenden Künstlerin gegenüber oder steckt da mehr dahinter im Mühltalhof? Helmut: Da steckt mehr dahinter. Es ist ein Teil unserer Bemühungen, über Eigenwilligkeit hinaus auch unverwechselbare Eigenheit zu präsentieren. Wir haben uns getraut, vom klassischen weißen Geschirr wegzugehen und halt auch einmal drei verschiedene Teller auf den Tisch zu stellen. Das brauchte Mut, aber der hat sich gelohnt. Elfriede: Genau diesen Mut zum nicht Perfekten schätze ich so an euch. Mit Porzellan bist du im neutralen Sicherheitsraum. Aber der Zauber, den dieses Geschirr aus der Werkstatt verströmt, dient eurem besonderen Essen eben auch als Bühne. S TRUMPF IM ÄRMEL: HOPFEN & SCHMALZ IM BRAUGASTHOF Eine wunderbare, kleine Brauerei, die köstliche Biere produziert, aber keinen aktiven Braugasthof mehr hat – das geht gar nicht, dachte sich Philip Rachinger und entwarf ein Konzept zur Wiederbehopfung. Und siehe da: Heute »brummt« das alte Haus mit neuem Namen. »Hopfen und Schmalz« nannte Rachin- ger den alten Braugasthof und hauchte ihm mit viel gastronomischer Phantasie neues Leben ein. Vom Mühlviertler Sushi bis zur saftigen Surstelze, von der Speckknacker bis zu Kichererbsen mit Hopfenspargel reicht das bunte kulinarische Angebot inzwischen. Rachingers ehemaliger Kollege in der Berufsschule, Benjamin Hartl, macht den Restaurantleiter, Mühltalhof- Souschef Stephan Mandl zaubert am Wochenende in der Küche. Und das wirkt sich aus, weil es kein noch so traditionelles Gericht auf der Karte gibt, das nicht mit viel Feingefühl raffiniert ein wenig »gepimpt« wird. Denn hier soll die Hauptsache, das Bier aus der örtlichen Biobrauerei, entsprechend hochwertig begleitet werden. Ob es nun das hopfige, naturtrübe Zwickl oder das Weißbier vom Fass ist, das man im Braugewölbe oder auf der Terrasse genießt. Die offenen Feuer- stellen mit Holzofen und Grill sind die Schmuckstücke des neuen Restaurants OIS. Die Küche geht nun offen in den von einer imposanten Holz- Kasettendecke über- dachten Gastraum mit maßgefertigten Altholz-Tischen und dänischen Designer- stühlen über. Unver- ändert stimmig dazu die Veranda mit Blick auf Mühl und Wald. Definitiv ein Platz zum »Pickenbleiben« ist das Brauherren-Gwölb im »Hopfen und Schmalz« in Neufelden. Das ehemalige Bräustüberl der örtlichen Biobrauerei wird nun von Philip Rachinger betrieben. Johanna Eckl, die Schwester von Helmut Rachinger, kümmert sich mit viel Liebe und Engagement um den Hotelbetrieb im Hause. Drei verwandte Seelen an einem Tisch vereint: Papa Helmut und sein Sohn Philip Rachinger beim entspannten Plaudern mit Keramikkünstlerin Elfriede Ruprecht-Porod, die für den Mühltalhof Geschirr aus ihrer Manufaktur liefert. Neben Kunst- und Quali- tätssinn verbindet die drei vor allem die Wertschät- zung für die Rohstoffe, mit denen sie arbeiten.
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