Cirque Gourmet 24

17 Cirque Gourmet 2022/23 Hier sitzen die Chefinnen zweier Genießerhotels und die Schöpferin einer »zweiten Haut«, die auch dem Genuss dienen soll. Was bedeutet euch persönlich das Genießen? Antonie Metzler: Dass ich gelernt habe, nicht nur auf ein funktionierendes Geschäft, sondern auch auf mich zu schauen. Das ist nicht leicht, wenn du selbst etwas aufbaust, weil du es ja immer gut machen willst und glaubst, du musst ununterbrochen präsent sein. Claudia Sutterlüty: Ich habe das daheim auch so erlebt, dass der Arbeit vieles untergeord- net wird. Und es ist jetzt mit meinem eigenen Business schon auch cool, wenn der Einsatz fürs eigene Label da ist und das dann Früchte trägt. Aber es ist wichtig, das richtige Maß zu finden und zu erkennen, wann man auch wieder einmal einen Schritt zurückgeht. Ellen Nenning: Das klingt super, aber wie findet man für sich das richtige Maß? Antonie Metzler: Ich habe jetzt einfach kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich ab und zu nicht präsent bin. Denn mit dem Bild, dass du dich fertig machst, haben heute weder deine Mitarbeiter eine Freude, noch die Gäste. Mit so etwas fühlt sich keiner mehr wohl. Muss man die Fähigkeit zum Genuss selbst vorleben, um das glaubhaft an die Kunden zu bringen? Denn man kann ja wohl nicht Stress demonstrieren und Genuss verkaufen. Ellen Nenning: Doch, manche tun das. Aber glaubhaft ist man wohl nur dann, wenn man selbst in der Lage ist, Genussmomente zu zelebrieren. Ich persönlich mag zum Beispiel, wenn mir Tom, der bei uns für den Wein zuständig ist, von einem jungen Winzer erzählt und von der Freude des Tuns dieses jungen Menschen. Und wenn dann das Probefläschle ins Haus flattert, zelebrieren wir die Verkostung. Claudia Sutterlüty: Das ist der Punkt, dass man den Moment genießen muss. Das war auch der Ursprung meiner Idee mit den Pyjamas. Die sind als Begleiter für Situationen gedacht, in denen es einem gutgehen soll, zum Feierabend, beim Frühstück oder ähnlichem. Antonie Metzler: Ich glaube, es ist sehr wichtig, wie man sich präsentiert, vom Ambiente übers Mobiliar bis zur Küche. Die Menschen sind viel bewusster geworden, die wollen wissen, wo kommen diese Möbel her oder woher stammt das Fleisch. Was macht es für euch besonders, im Bregenzerwald zu leben und zu arbeiten? Ellen Nenning: Ich war ja immer da und nie weg. Lange war für mich das Coolste, dass ich nur eineinhalb Stunden bis Zürich und zwei bis München hatte. Heute sage ich es anders: Du musst hier nicht weg, weil es hier keine Möglichkeiten gibt, aber du könntest weg, weil es anderswo auch Spannendes gibt. Aber hierbleiben kann auch sehr spannend sein. Claudia Sutterlüty: Was ich an der Region so schätze, sind die Themen Design und Handwerk. Da werden traditionelle, bodenständige Wurzeln mit internationaler Inspiration kombiniert, da findet das Weltoffene seinen Raum, und das ist faszinierend für mich. Antonie Metzler: Es ist auch der Genuss des Essens. Familien gehen hier seit eh und je heimisch essen. Da wird ganz bewusst darauf Rücksicht genommen, woher das kommt. Ellen Nenning: Also ich habe das Gefühl, dass das Genussthema, Geld fürs Essen auszugeben, schon noch Luft nach oben hat. Claudia Sutterlüty: Qualitativ hochwertige Lebensmittel haben hier schon einen höheren Stellenwert als in anderen Teilen Österreichs. Mit dem Genießen hat der Wälder aber schon Schwierigkeiten. Da gibt’s ja sogar so etwas wie eine Samstag-Arbeit. Da müssen Dinge nach einem peniblen Plan erledigt werden, da wird gemäht, geputzt und gewischt. »Darüber, dass ich als Frau einen Betrieb leite, muss ich gar nicht reden. Ich stehe meine Frau und muss das nicht extra unterstreichen.« ANTONIE METZLER, GENIESSERHOTEL DAS SCHIFF

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