43 Cirque Gourmet 2023/24 Auf 1.150 Metern Seehöhe liegt der Sonnenhof, und ebenso viele Weine bieten Christina und Rainer Müller im Tannheimer Tal an. Es sind sogar noch mehr, denn man unterhält ein eigenes Reifelager. Diese Auswahl adelte der Gault Millau zur »Weinkarte des Jahres«. Wie sie ihre Wein-Schätze kalkulieren, erzählen die Hoteliers natürlich bei einem Glas Privatfüllung. Denn: »Ein Wein-Interview ohne Wein geht gar nicht!« an kann sich als Neuling durchaus verlaufen in der weitläufigen Gastrowelt des Sonnenhofs: Bewusst kocht man durchgängig im Genießerwirtshaus »Das Müllers«, zudem sorgt Patrick Müller mit Daniel Walch im Gourmetrestaurant »Alps & Ocean« für Gaumenfreuden. Unübersehbares Herzstück neben der Küche ist aber der verglaste Weinkeller Rainer Müllers. Welche »big names« hier lagern, zeigt sich auch in vielen Hotel-Ecken, die mit geleerten Flaschen von Château Talbot, Krug-Champagner oder Ridge Vineyards dekoriert sind. Gemeinsam, wie sie das Genießerhotel führen, blicken die Müllers auf die Genese dieses Schwerpunkts zurück – an der Angelo Gaja nicht unschuldig war. Vom Liftstüberl zur »Weinkarte des Jahres« in 55 Jahren sind eine gewaltige Entwicklung – was waren die Meilensteine im Sonnenhof? Rainer Müller: Meine Eltern haben 1967 mit knapp 20 Jahren mit einem kleinen Lift-Café mit Buffet angefangen. Das haben sie dann stetig zu einem 4-Sterne-Hotel weiterentwickelt. In den 90er-Jahren bin ich in den elterlichen Betrieb eingestiegen und habe zunächst in der Küche, später im Service mitgearbeitet. Ab 2014 haben wir g’scheit Gas gegeben und mit der Renovierung begonnen. Christina Müller: In den letzten acht Jahren haben wir in fünf großen Zu- und Umbauphasen alle Zimmer und Restaurants renoviert, die Wellness erweitert und gänzlich neu gestaltet. Dabei haben wir uns bewusst entschieden, ein Wirtshaus zu behalten und für das Fine-Dining ein eigenes Restaurant, das Alps & Ocean, zu schaffen. Zu uns kommen auch viele Gäste auf der Durchreise nach Italien; auch wenn sie nicht übernachten, so ins »Müllers« zum Essen. Rainer Müller: Ich finde, in einem Hotel muss ein Restaurant INTERVIEW WEIN-AUSWAHL, MÄCHTIGER ALS DAS GEBIRGE M dabei sein! Und wir haben bewusst viele Gaststuben und Terrassen, da im Winter, durch die direkte Lage am Lift, einige Skifahrer zum Mittagessen kommen. Generell möchten wir niemand ausschließen: Bei uns sind junge Gäste genauso willkommen wie Familien oder Menschen im Ruhestand. Da haben wir einen guten Mix, nicht nur Junge oder Weinfreaks. Gutes Stichwort! Wie kam es zu dieser Weinleidenschaft? RM: Die Entscheidung dazu fiel bei mir vor 30 Jahren, als ich die »Vinitaly« besuchte. Da waren wir bei Angelo Gaja quasi hinter den Kulissen – er hatte ja keinen offenen Stand. Diese Vielfalt, was es da an Wein gibt, hat mich sofort fasziniert. Auch italienischer Wein an sich. Dann habe ich mit ein paar Flaschen begonnen und auch einen Weinkeller gebaut. Damals war ich noch in der Sonnenhof-Küche aktiv. Als ich dann in den Service wechselte, haben wir schnell noch mehr in der Richtung gemacht. CM: Als wir uns 2008 kennengelernt haben, gab es schon 120 Positionen auf der Karte. Nach und nach wurden es immer mehr. Das hat für Furore gesorgt. Und parallel ist auch das Interesse bei den Gästen gestiegen. Wo greift der Gast am liebsten zu? RM: Wein aus Österreich ist auf unserer Karte am stärksten vertreten. Dann kommt Frankreich als zweites Land, viel Burgund und Bordeaux, wir sind auch persönlich recht frankophil. Dahinter wird es Italien sein. Wir haben hauptsächlich Wein aus Europa, wenig aus Übersee. Ein bisschen Kalifornien, wobei das vom Gast nicht von selbst bestellt wird, sondern viel auf Empfehlung geht. Aber im Einkauf wird es wohl 60 % Österreich zu 40 % restliche Welt sein. Wie ist eigentlich das Zusammenspiel mit der Küche, in der Ihr Bruder Patrick mit Daniel Walch kocht? RM: Manchmal schlagen sie ein Gericht vor und ich suche den idealen Wein. Oder ich habe einen Wein und sie kreieren das Gericht dazu. Das ist ganz entspannt. Da ich selber gekocht habe, kenne ich mich da auch gut aus. Text: Roland Graf; Fotos: Dominik Doucha
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