21 Cirque Gourmet 2024/25 meinem Alter, Intellektuelle und Künstler aus der Theaterszene getummelt, und die habe ich kennengelernt. Eines Tages auch eine wunderschöne, sehr intelligente Frau namens Raissa Gorbatschowa, und als ihr Mann Michail ein paar Monate später Generalsekretär wurde, verfügte ich schon über ein ziemlich gutes Moskauer Netzwerk. An diesem Punkt sollten wir vielleicht ansprechen, dass die Musik auch für Ihre ziemlich guten Deutschkenntnisse verantwortlich ist. Martin Walker: Ich hatte zwar im Gymnasium zwei Jahre Deutschunterricht, aber am meisten habe ich mir angeeignet, indem ich Musik von Kurt Weill und vor allem von den Toten Hosen gehört habe. Die Deutschen lernten Englisch durch die Beatles und ich Deutsch durch die Hosen. Lassen Sie uns zu Bruno zurückkehren. Ihr Romanheld hat sogar denselben Hund wie Sie – und übrigens auch der legendäre Inspektor Columbo – nämlich einen Basset. Wie sind Sie für die Figur des Bruno „auf den Hund gekommen“ und dann genau auf diesen? Martin Walker: Weil wir in unserer Familie immer einen Basset hatten – und in Julias Familie auch. Unser aktueller heißt Balzac, weil bei Julia alle Bassets nach Autoren mit dem Anfangsbuchstaben B benannt wurden. Balzacs Vorgänger hießen Baudelaire und Boswell. Julia und ich sind jetzt seit 47 Jahren verheiratet, und ich glaube, dass Ehen glücklicher sind, wenn sie auf der Liebe zu denselben Hunden basieren. Ich muss jetzt nur ein bisschen aufpassen, weil meine Töchter auf Komponisten umschwenken und den nächsten Hund Beethoven taufen wollen. Fast alle männlichen Figuren in Ihren Büchern beruhen auf realen Personen. Die Frauen nicht, obwohl Sie seit 47 Jahren mit einer wirklich beeindruckenden verheiratet sind. Warum finden wir nicht zumindest Julia in einem Buch wieder? Martin Walker: Ich habe nicht so viel Mut. Ich habe gelernt, dass Frauen ein Mysterium bleiben, das wir Männer niemals verstehen können. Deshalb ist mir das Risiko zu hoch. Julia und Sie vereint nicht nur die Liebe zu Hunden, sondern auch die zu gutem Essen. Hat das Kulinarische, das ja auch in den Bruno-Büchern einen großen Stellenwert hat, bei Ihnen immer schon eine Rolle gespielt, oder war da auch Julia schuld, die als Food-Journalistin unter anderem für die »Washington Post« oder den Londoner »Observer« geschrieben hat? Martin Walker: Bei mir ist das ein bisschen durch meine Mutter entstanden. Als ich mein erstes eigenes Appartement hatte, meinte sie: »Wenn da einmal eine junge Frau kommt, musst du etwas kochen können.« Und so lehrte sie mich, Spaghetti Bolognese, Käseomelette und Roastbeef zuzubereiten – also eher die einfachen Dinge. Aber es lohnte sich, denn als Julia zum ersten Mal bei mir war, bereitete ich eine Käseomelette zu. Sie isst so etwas normalerweise nie, aber an diesem Abend hat es ihr geschmeckt. Glaube ich. Denn sie hat es gegessen. Mittlerweile haben Sie aber deutlich mehr Gerichte drauf, wenn man so liest, was Ihr Polizist Bruno in seiner Küche so alles zaubert. Sie beschreiben das so detailliert, dass man die Gerichte aus den Romanen heraus nachkochen könnte. Hilft Ihnen da Ihre Frau? Martin Walker: Helfen würde ich das nicht nennen. Sie kontrolliert und korrigiert mich. Da fehlt noch Knoblauch, da eine Prise Salz und so weiter. Denn sie hat zu mir gesagt: »Wenn du über Essen schreiben willst in deinen Büchern, musst du jede Speise selbst kochen.« Das mache ich auch. Und sie schaut mir über die Schulter. Aber es ist tatsächlich jedes Gericht, das in einem Bruno-Buch vorkommt, von mir am eigenen Herd zubereitet worden. Vielleicht ist das auch der Grund, dass das Essen mit jedem neuen Band wichtiger geworden ist. Sie haben auch eigene Hühner, aber gegessen haben Sie noch nie eines von denen. Wie kommt das? Martin Walker: Weil ich sie zu gut kenne und weil sie für mich mehr Mitbewohner als Nutztiere sind. Deshalb habe ich mit einer Nachbarin auch eine Vereinbarung getroffen. Nachdem ich meine eigenen Tiere niemals essen könnte, esse ich ihre und sie bekommt dafür meine. Als Schotte werden Sie ja eher mit Whisky in Verbindung gebracht, aber Sie haben sich in Frankreich zu einem echten Weinliebhaber und auch -kenner entwickelt. War das in dieser Region unausweichlich oder zog es Sie von sich aus zum Wein? Martin Walker: Es gibt ja in Frankreich dieses System der Bruderschaften, der Confréries – und da bin ich überall dabei. Bei der Erdbeer-Bruderschaft, bei der Nuss-Bruderschaft, überall. Irgendwie waren diese Mitgliedschaften wie eine Adoption für mich. Beim Wein ist es ein bisschen anders, der hat mich wirklich gefangen genommen, und ich schreibe für eine englische Zeitung, die in Frankreich erscheint, eine monatliche Weinkolumne und habe dafür sicher schon mehr als 400 Weinbars besucht. Mit meinem Winzerfreund Julien Montfort stelle ich auch die »Cuvée Bruno« her, auf die wir beide sehr stolz sind. In einem normalen Jahr produzieren wir 8000 Flaschen, von denen 2000 in die USA und 2000 nach Deutschland gehen. Ich würde mich inzwischen schon als Spezialisten für die Weine von Bergerac bezeichnen. Wie schmecken Ihnen denn österreichische Weine? Martin Walker: Ich trinke sehr gern Grünen Veltliner und Gelben Muskateller. Sie haben einmal verraten, dass Sie in Deutschland immer als erstes eine Bratwurst essen gehen und diese als den »wahren Geschmack Deutschlands« bezeichnet. Was ist denn für Sie der wahre Geschmack Österreichs? Martin Walker: Mein erster Weg führt mich immer zum Figlmüller an die Wollzeile, wo ich ein Wiener Schnitzel esse. Mit Kartoffelsalat, denn der schmeckt nirgends so gut wie in Wien – auch wenn ich noch nicht herausgefunden habe, warum. Na, dann würde ich sagen: Klarer Punktesieg für Österreich. Herzlichen Dank für das Gespräch.
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