53 Cirque Gourmet 2024/25 Ein Kirschschnaps auf Hemingway Das Gasthaus Löwen ist eines der ältesten im Tal. Das Traditionshaus steht seit über 500 Jahren unter der Kirche, die Tschagguns überragt. Die Ecke in der Stube erinnert an den einstigen Gast. Gelegentlich wird auch noch »Wildbret mit Kastaniensauce« oder »Hasenpfeffer mit kräftiger Rotweinsauce« serviert, Gerichte, die Hemingway erwähnt, mit »wunderbarem Kirsch, der im Tal hergestellt wurde«. Heute gehört das Gasthaus Löwen zum Montafoner Hof, den Getrud und Stefan Tschohl seit 1987 führen. »Bei uns schlagen immer wieder welche auf, die sich für Hemingway interessieren«, erzählt Getrud Tschohl. Dann serviere sie Zwiebelrostbraten mit Sardellen, Kapern und Speck, noch so ein Hemingway-Gericht. Und danach fahren sie mit ihnen ins Gauertal, wo Hemingway zum Jagen war. Die Einheimischen, die vor 100 Jahren dort lebten, hatte er ins Herz geschlossen. »Die Bauern am Ende des oberen Tals waren ganz anders als die des unteren und mittleren Tals«, schrieb er, »und die aus dem Gauertal waren so freundlich, wie jene feindselig waren.« Zum Berghaus ins Gauertal Die Fahrt ins Gauertal übernimmt meist Getruds Mann Stefan, eine, man muss es so sagen, hemingwayhafte Erscheinung: dunkle Haare, grauer Bart, schelmische Augen, fester Händedruck. Es wundert zumindest nicht, dass er vor ein paar Jahren in einer Hemingway-Verfilmung einen »Begleitjäger von Hemingway« gespielt hat, wie er erzählt, als wir hinauf zu einem der »Berghäuser« fahren, die im Familienbesitz sind und vermietet werden: »Manuaf«, eine hübsche Hütte im Gauertal. Die alte Jägerbekleidung habe er noch in der Garderobe gehabt, erzählt er oben angekommen und schenkt erst mal ein Glas Rotwein ein. »Jaja, der Hemingway«, sagt er, macht den Ofen an, und durch die großen Fenster sieht man in die einsame Bergwelt dieses stillen Seitentals. Man kann sich hier oben gut vorstellen, wie Hemingway das Gauertal damals gesehen hat. Erst recht, wenn Stefan Tschohl die Geschichten erzählt, die im Tal seit Jahrzehnten kursieren. Wie der Schriftsteller im Löwen gepokert hat. Wie er Bier und Kirschgeist gesoffen hat. Und wie er die junge Bedienung verführt hat. »Vielleicht gibt’s im Ort ja immer noch Hemingway-Nachkömmlinge.« Wirklich? »Ach. Wer weiß.« Sagt er – und schenkt nach. WOHNEN: Genießerhotel Montafoner Hof, www.montafonerhof.com Gasthaus Löwen, www.loewen-tschagguns.at ZEITREISE: Ernest-Hemingway-Ausstellung: Tourismusinformation Gaschurn, Dorfstr. 2 LITERATUR-TIPPS: Ernest Hemingway: »Paris – Ein Fest fürs Leben« (1964). Lebenserinnerungen mit einem Schruns-Kapitel. »Schnee auf dem Kilimandscharo«, abgedruckt in »6 Stories«. »Ein Gebirgsidyll« (das in Galtür spielt) findet sich in »Die Stories«. Günther J. Wolf: »Paradies ohne Wiederkehr. Hemingway im Montafon«, Bludenz, Montafon Tourismus 2000. Foto: Montafoner Hof Foto: Berghäuser, Tschohl Wildromantische Lage: Das Berghaus Manuaf im Gauertal. Genießerhotel Montafoner Hof Gruppenbild mit Dame (v.l.): Fräulein Basler vom Hotel Taube, Ernest Hemingway, John Dos Passos und Gerald Murphey im Schnee.
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