Istrien Magazin 2017

ISTRIEN magazin 9 8 M anchmal sind die ersten Minuten ent- scheidend. Ein paar Augenblicke nur, und man ist verzaubert, ganz hin- gerissen: vom Meer, das so tintenblau ist, dem von grünem Plüsch überzogenen Land, das vor- beigleitet, von der lauen Brise, die über die Haut streift und die weißen Segel füllt. Dazu dieses sanfte Schaukeln (…). Es sind die ersten Seemeilen auf dem Weg von Pula im Süden Istriens Richtung Norden, und ich genieße schon in vollen Zügen. In klei- nen Wölkchen schwebt würzige Luft vom Land herüber. Lavendel. Thymian. Myrte. Ich breite mich an Deck aus, schließe meine Augen und denke daran, wie skeptisch ich gestern noch gewesen bin. Die Sonne stand hoch über dem Amphitheater von Pula, das ellipsenförmig und riesig vor uns lag, dem Meer ganz nah. Meine Augen kletterten die Fassade hinauf, sie blieben an den groben Steinen hängen, an den Rund- bögen, die den Blick auf die Stadt und das Meer freigeben und wanderten in Gedanken zurück: zu den Gladiatorenkämpfen, die hier einst statt- fanden, als die Römer noch das Sagen hatten. Ich fragte mich: Was soll noch kommen, nach diesem Anblick, nach Pula, nach dem Amphitheater und den venezianischen Palazzi rundherum? Als die Dämmerung Istriens größte Stadt einhüllte und riesige Strahler Pulas Wahr- zeichen in sanftes Licht tauchten, dachte ich kurz daran einfach hierzubleiben. Eine Woche lang an der Vergangenheit schnuppern, mich von einem Studenten in Legionärskleidung und San- dalen durch die antike Arena führen lassen, dort vielleicht sogar ein Konzert oder eine Filmvor- führung besuchen und frühmorgens über den Grünmarkt und durch die architektonisch be- deutende Jugendstil-Markthalle schlendern. RICHTUNG SÜDEN ODER NORDEN? Doch nun sitze ich hier, und im Kiel- wasser unserer fast zwölf Meter langen Segelyacht »Le Pacha« bleibt die Stadt, die mich so spontan um den Finger gewickelt hat, zurück. Am Morgen hatte ich noch kurz mit meinem Mann, dem Kapitän, diskutiert: „Bleiben wir hier oder fahren wir Richtung Süden, um Premantura herum und nach Medulin, das wie geschaffen ist für einen Badeurlaub? Oder segeln wir nach Norden, wo märchenhafte Orte aneinandergereiht lie- gen wie Perlen auf einer Kette?“ Wir entschieden uns für Letzteres. An Steuerbord erhebt sich Istrien aus der blau- en Adria, grüne Hügel, von Macchia und Pinien überzogen. Nur ein paar Seemeilen weiter nördlich liegt der kleine Fischerort Fažana. Doch uns zieht es nach Westen, auf die Brijuni-Inseln, einst Lieblingsort des ju- goslawischen Staatsführers Tito; heute ein Nationalpark. Der Hafen von Veli Brijun, der größten von insgesamt 14 Brijuni-Inseln, ist nahezu leer. Eine Fähre durchpflügt das Wasser und macht fest. Man sieht aus der Ferne ein paar Urlauber über den Pier schlendern und in einem der beiden Hotels nahe des Hafens verschwinden. „Viel mehr Möglichkeiten, sich auf der Insel einzuquar- tieren, gibt es nicht“, sagt der Hafenmeister, der eine stattliche Summe für eine Nacht kas- sieren will. Ob sich das lohnt? Wir marschieren los, rasten an einem kleinen Kiosk unter steinalten Eichen, bestel- len Schokoladentorte und Cappuccino und wandern danach umdas Hafenbecken herum. Wir spazieren an der Kirche St. German und den Hotels vorbei, weiter ins Grüne, über den Golfplatz und zu den Wiesen, auf denen Zebras grasen und Antilopen, Elefanten, La- mas und Pfaue. „Alles Geschenke von Titos Gästen“, erzählt uns der Hafenmeister. Über 30 Jahre hatte Tito auf Veli Brijun das Zepter in der Hand, empfing dort Staatsgäste und Hollywoodstars. Die Präsidenten Nehru und Nasser waren da, Willy Brandt und Jassir 1.  Zebras gibt's im Tierpark der Insel Veli Brijun, auch Strauße, Lamas und eine Bim- melbahn. 2. Das Kap Kamenjak im Süden der Halbinsel birgt un- zählige Robinson-Buch- ten umgeben vom traumhaften Segelrevier der Region Pula-Me- dulin. 3. Die Insel Veli Brijun kann mit Golfcart, Fahrrad oder zu Fuß erkundet werden. 4. His- torische Mauern und junger Lifestyle bestim- men die Atmosphäre von Pulas Altstadt. 5. Die römische Arena ist das Wahrzeichen der Hafen- stadt Pula, Museum und beeindruckende Bühne für Historienspiele, Konzerte und Filme. In Pula sollte man sich Istriens größtes Aquarium im Fort Verudela anschau- en. Dort befindet sich auch eine Pflegestation für Meeresschildkröten, die man mit einer Patenschaft unter- stützen kann. Sehenswerte Zeit- zeugen auf Veli Brijun: mehr als 200 versteinerte Dinosaurier-Fußab- drücke, die Ausgra- bungsstätte einer römischen Sommer- residenz aus dem 1. Jhdt. n. Chr. und ein rund 1.600-jäh- riger Olivenbaum. sightseeing lohnende Landgänge FOTOS:Amme (4), Heuer (1)  1  2  3  4  5

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