Istrien Magazin 2023

18 19 I S T R I E N DAS MINIATUR-KÜNSTLERSTÄDTCHEN IM HÜGELIGEN HINTERLAND VERWANDELT SICH ALLJÄHRLICH IN EINEN ROMANTISCHEN, STEINERNEN KLANGKÖRPER. IM SOMMER TREFFEN SICH MUSIKER UND MUSIKERINNEN AUS DER GANZEN WELT ZU FESTIVALS UND DEN KONZERTWOCHEN DER JEUNESSES MUSICALES. THE SOUND OF Ein Julinachmittag in Grožnjan, Musik liegt überall in der Luft: Auf dem Kirchplatz vor dem hübschen Boutiquehotel Artegnana sitzt ein junger Gitarrist und übt sich mit zwei noch jüngeren Sängerinnen im stimmlichen Einklang. Eine Straße weiter klatschen zwei Frauen, ebenfalls weit unter dreißig, im Takt und tauschen Tanzmoves aus. Diese Begegnungen wirken spontan, die Musik dringt, so scheint es, unweigerlich aus dem Innersten dieser Menschen heraus. Das ist freilich kein Zufall: Mehr als 50 junge Musiker und Musikerinnen aus der ganzen Welt haben sich für zwei Wochen in dem pittoresken Hügelstädtchen eingefunden, um ihre Passion miteinander zu teilen: Jazzmusik. Die dringt zur selben Zeit unüberhörbar aus einem Konzertsaal neben der Kirche – eine Jazzband unter der Leitung des Posaunisten Luis Bonilla, der mit Phil Collins durch die Welt getourt ist, übt für ein anstehendes Konzert. Einen besseren Treffpunkt als Grožnjan kann es für kommunikative Menschen nicht geben: Die steingepflasterten Gassen sind so schmal, dass sie für Autos gesperrt sind, und der Ort ist so klein, dass die Bewohner einander automatisch mehrmals täglich über den Weg laufen. Dazu kommt der grandiose Rundumblick: Im Osten sieht man auf die Hügellandschaft des weiten Mirna-Tals mit dem malerischen Burgenstädtchen Motovun und im Südwesten verschmilzt, nur zehn Kilometer Luftlinie entfernt, die Adria mit dem Horizont zu scheinbar grenzenloser Weite. MAGISCH UND HÖCHST INSPIRIEREND Vor mehr als fünfzig Jahren eröffnete an diesem magischen Ort der kroatische Ableger der gemeinnützigen globalen Organisation Jeunesses Musicales (Musikalische Jugend) ein eigenes Zentrum, um Musikschülern und -schülerinnen einen abgeschiedenen Ort der Begegnung und Weiterbildung zu bieten. Bereits zuvor hatte die jugoslawische Regierung das damals weitgehend verfallene Grožnjan zur »Stadt der Künstler« erhoben. Die Kunstschaffenden erhielten die Genehmigung, Häuserruinen wieder aufzubauen und schufen sich ein kleines Paradies: „Am künstlerischen Höhepunkt zu Beginn der 1980er-Jahre diente Grožnjan als reiner Ort des Austauschs und der Inspiration. – Shops gab es damals noch nicht“, weiß Simon Pavlinc in seinem kleinen Verkaufsladen zu berichten. Er ist der Sohn eines Keramik-Künstlerpaars und übernahm das Haus von seinen Eltern als diese zurück nach Slowenien gegangen sind. Die künstlerische Energie ist bis heute an jeder Ecke sicht- und spürbar. Zahlreiche kleine Galerien mit regionaler Kunst verschaffen dem Ort eine besondere Aura. Natürlich dürfen auch Delikatessenläden nicht fehlen, etwa jener von Sandra Žigante am Trg Ruggera Paladina. Neben Olivenöl und anderen Köstlichkeiten kann man hier, im Herzen der Trüffelregion Istriens, vor allem weiße und schwarze Trüffel in jeder Form kaufen. WELTKLASSE-JAZZ IM DORF AUS STEIN Am größten Platz von Grožnjan wird jeden Sommer eine Bühne aufgebaut, davor stehen Plastiksessel, eine seitliche Tribüne gibt‘s auch. Hier finden während des zweiwöchigen »Jazz is Back! B.P.-Festivals« jeden Abend Konzerte statt. An den seltenen Schlechtwettertagen weicht man in einen Konzertsaal neben der Kirche aus. Der Titel des Festivals mag verwundern, denn Jazz ist bereits seit 1998 zurück in Grožnjan. Damals gelang es der heute amtierenden Generalsekretärin der kroatischen Musikalischen Jugend, Dubravka MUSIK & KUNST IN GROŽNJAN Von Juni bis September veranstalten die Jeunesses Musicales Croatiain Grožnjan internationale Klassik-Workshops. Die öffentlichen Abschlusskonzerte sind frei zugänglich. https://jmi.net/members/jm-croatia Im Rahmen des Festivals »Jazz is Back! – B.P.« finden im Juli zwei Wochen lang jeden Abend kostenlose Konzerte statt. www.jazzisbackbp.com TIPP: Die Stadtgalerie Fonticus gegenüber dem Volkskundemuseum ist die größte der etwa 30 Galerien und Ateliers im Ort. Heraldik-Fans finden dort neben nationalen und internationalen Werken auch eine umfangreiche Wappensammlung (Deutschland, Kroatien und Slowenien). Text: Stephan Burianek, Fotos: Johannes Kernmayer

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