Istrien Magazin 2024

43 Die ehemaligen Bergleute wären von der Sicherheit und dem Klima in ihrem Schacht begeistert gewesen. Zwischen den Jahren 1928 und 1966 beschäftigte das Bergwerk von Raša mehr als zehntausend Kumpels, ernährte Generationen und sorgte für einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung der Region um die mittelalterliche Stadt Labin, die sich infolge ebenso dem Bergbau verschrieb. Entwässert, gesichert, beleuchtet, belüftet und mit Sensoren ausgestattet, lässt sich nach Jahren der Sanierung ein 1,5 Kilometer langes Teilstück des »Karlota-Stollens« besichtigen: das einzige öffentlich zugängliche Kohlebergwerk Kroatiens. SCHAUPLATZ SCHWARZES GOLD 870.000 Euro investierte die Gemeinde Raša in das Projekt, ein wegbereitendes Stück Regionalgeschichte so authentisch wie möglich sichtbar zu machen. Und so öffnet die 2,5-stündige Führung »Kova Experience« dann auch ein durchaus realistisches Fenster in die Vergangenheit. Die Zeitreise auf den Spuren der Bergleute beginnt mit dem Anlegen der Arbeitskleidung, imaginär wird die Ausrüstung ausgefasst und man marschiert bei 12 Grad Celsius durch die unterirdischen Stollen bis zum Förderturm. Das Ende der Tour markiert ein Besuch im »Zentrum Arsia« [1 ] am Hauptplatz von Raša. Das kleine multimediale Bergbaumuseum kann auch unabhängig von einem Stollen-Rundgang besichtigt werden und beheimatet u. a. nachgestellte Arbeiterwohnungen [4]. LUXUS ZWISCHEN LEBEN UND TOD Die während der italienischen Besatzungszeit (1918–1943) eigens für Bergleute erbaute Kleinstadt Raša [2] bot für damalige Verhältnisse modernste Standards. Es gab eine Kanalisation, Wasserleitungen, asphaltierte Straßen mit Beleuchtung, ein Kino und ein öffentliches Schwimmbad. Mit dem Ziel, die großen Kohlevorkommen der besetzten Region auszuschöpfen, hatte der Diktator Mussolini den damaligen Stararchitekten Gustavo Pulitzer Finali mit der Planung der Arbeiterstadt beauftragt. Der wiederum nutzte die Chance, um seine Vision einer »vollkommenen Stadt« umzusetzen. Die Stollen selbst zählten jedoch zu den gefährlichsten Arbeitsplätzen Europas. So benötigte es nach der Rückeroberung des Landstriches reisende Jobvermittler, die Kroaten, Slowenen, Bosnier, Serben und Mazedonier mit außerordentlichen Löhnen und einer modernen Infrastruktur nach Istrien lockten. Nur wenige Kilometer trennen die ungleichen und genau deshalb so spannenden Nachbarn, die auch auf der Titelseite dieses Magazins zu sehen sind: das ehemalige Fischerdorf Rabac mit seinen familienfreundlichen Hotels und wunderschönen Kieselstränden und die mittelalterliche, venezianisch geprägte Altstadt von Labin mit Kunstateliers, Shops, Cafés und vielen Kultur-Events. BERGBAU OHNE GRENZEN Mine-Tour-EU-Projekt zwischen Labin [3] und dem slowenischen Litija mit interessanten Infos (de): www.mine-tour-eu LABIN OLD TOWN SIGHTSEEING-TOUR Bei einem gemütlichen Spaziergang durch die engen Gassen und über die malerischen, von Adelspalästen gesäumten Stadtplätze wird die stürmische Geschichte der mittelalterlichen Stadt Labin greifbar. Bergbaugeschichte inklusive. Führung (auch in DE): Mitte Juni – Mitte September, jeden Dienstag von 21.30 bis 23 Uhr. Treffpunkt bei der Touristeninformation in der Altstadt. Kostenlos. INSIDER EIN ZEITZEUGENBERICHT Die schwierigen Arbeitsbedingungen im Bergwerk schweißten die Kumpels zusammen, ganz gleich welcher Nationalität sie angehörten. Der gebürtige Bosnier Izudin Fejzić erinnert sich: „Ich hatte eine Bergbauschule abgeschlossen, wollte aber nie wirklich in einer Mine arbeiten. Doch das Angebot war einfach zu gut. So kam ich für ein geplantes Jahr, um ein wenig im Meer zu schwimmen und Geld zu verdienen. Wir Bergleute genossen großen Respekt, etliche Privilegien und ich war jung. Aus einem geplanten Jahr wurden zunächst drei. Dann heiratete ich und brachte meine Frau aus Bosnien mit. Sie liebte das Meer und das Sonnenbaden am Strand, obwohl sie nicht schwimmen konnte. Keinesfalls wollte sie in die Heimat zurück, um das Feld zu bestellen und die Kühe zu versorgen. Als wir Kinder hatten, gab es ohnehin kein Zurück mehr. Ich blieb, bis das Bergwerk geschlossen wurde und werde auch den Rest meines Lebens hier verbringen.“ 1 4 FOTOS: TVB Rabac-Labin (3), ARSIA (2), Wikipedia (1)

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