28 ▶ Die Lage, ja, die bringt ihn nach wie vor ins Schwärmen, die Infrastruktur in diesem Dreiländereck, der Reichtum von verschiedenen Kulturen, das angenehme Klima. „Wir lieben die Leute, vor allem hier im Hinterland. Alles ist entspannter. Wir haben hier wirklich neue Wurzeln geschlagen.“ Reizvolle Vertrautheit Die Region, die sich mit dem Slogan »Colours of Istria« vorstellt, der reizvolle Streifen zwischen den Städtchen Umag und Motovun, Buje und Oprtalj, Novigrad, Brtonigla und Grožnjan, wirkt wie ein Konzentrat. Ein kleiner Tropfen genügt, und die Aromen vervielfältigen sich am Gaumen, die Atmosphäre prickelt wohltuend auf der Haut, Hektik und Geschäftigkeit fallen von den Schultern wie ein alter Wintermantel. Wer hier, im Nordwesten Istriens, aufs Mittelmeer blickt, versteht den Begriff aus der Römerzeit: »Mare Nostrum«. Denn »Unser Meer« verbindet hier mehr, als es trennt – der Blick geht nach Norden zur Küste Sloweniens und weiter nach Triest. Von den Hügeln im Hinterland ist bei klarem Wetter sogar Venedig zu sehen. Alles ist nah, vertraut, atmet Geschichte. Die Geschichte Europas und seine Vielfalt. Großer Wein in neuen Händen Kein Wunder also, dass viele Menschen hierherkommen – und immer wieder einige bleiben. Auch, wenn der Kulturschock vorprogrammiert scheint. Für Tim Whitfield war der Sprung ein großer. Der junge Südafrikaner ist im Kruger-Nationalpark groß geworden; sein Vater war dort Wildhüter. „Ich bin in der Natur aufgewachsen.“ Dort habe er rasch verstanden, dass „je weniger wir eingreifen, desto besser ist es“. Seine Philosophie: „Alles, was die Natur dir ins Glas gibt, nimmt sie von den Reben, nicht vom Winzer. Also nichts ändern, was nicht kaputt ist.“ Stellenbosch, Frankreich und jetzt ein kleiner Weiler zwischen Buje und Grožnjan in Kroatien. Der junge Önologe hat das außergewöhnliche Weingut von Giorgio und Vesna Clai übernommen, erweiterte das Sortiment um einen neuen Malvazija und einen Rotwein, den Baracija Refošk, und prophezeit dem istrischen Wein einen Höhenflug in den nächsten fünf Jahren. Er setzt sich für Kleinregionen ein und dafür, dass das lokale Terroir hervorgehoben wird. „Das machen die Franzosen auch so.“ Und ebenso wie die Trauben lange auf der Maische liegen, genießt auch er die Ruhe in diesem verträumten Ort. Den Blick auf die grünen Hügel, die am Horizont das Meer ahnen lassen. „Nach einem Arbeitstag auf der Veranda zu sitzen, das ist unglaublich friedlich”, sagt er. „An der Küste gibt es auch kleine, magische Orte, aber eben ganz besonders hier im Hinterland. Ich will dazu beitragen, dass hier das Bewusstsein für Schönheit zunimmt.“ Wenn er nicht gerade Vögel beobachtet, widmet er sich seinem Golfkurs in Savudrija. „Man bekommt viel Wert fürs Geld an diesem Fleckchen Erde zwischen der Adria und den Alpen.“ Wert legt der 30-Jährige nicht zuletzt auf Einfachheit. „Ich schätze die Gemeinschaft hier, das Weingut, die Villa mit ihren acht Zimmern und unser Restaurant Stara Škola. Er lächelt breit. „Das fühlt sich viel mehr nach Zuhause an, als ich gedacht hatte.“ Köstlicher Finderlohn Ein Gefühl, das er mit seiner Nachbarin Priska Thuring teilt, die seit Ende 2022 den Kochlöffel in der Stara Škola schwingt. Geboren in der Schweiz und in Kanada aufgewachsen, kam die Spitzenköchin 2005 das erste Mal nach Kroatien und wird mit ihrer verspielten und dennoch bodenständigen Küche in Dubrovnik rasch zum Shooting-Star. Nach Stationen in Rovinj, in Zagreb und auf Privatjachten kostete sie eines Tages einen legendären, dunkel-dichten Rotwein von Giorgio Clai. „Ich war an so vielen Orten dieser Welt, doch der Brombonero erinnert mich, warum ich Köchin bin. Blut, Schweiß, Sonne und Zeit, das ist es.“ Sie ließ sich im Nachbarort des Weinguts Clai nieder und fragte sich: Warum hat Clai kein Restaurant? – Jetzt hat er eins, die »Stara Škola« – für die 41-Jährige mit dem blonden Schopf ein ganz besonderer Ort. Dass die Kinder in dieser Schule früher sogar in Imkerei und der Bewirtschaftung eines Gemüsegartens unterrichtet wurden, empfindet sie als sensationell. An ihrem eigenen Garten arbeitet sie mit Hochdruck. Was der nicht hergibt, wird bei den Nachbarn gekauft. Den Fisch bezieht Priska von einem ▶ Impressionen aus der Reportage: Züchterin Sara Pausin mit ihren Boškarin-Rindern. // Die Istarska Pustinja neben dem Örtchen Šterna nahe Grožnjan wird gerne auch als »Istriens Wüste« bezeichnet. Ein Spaziergang durch die Mergeldünen ist einzigartig. // Bei Savudrija, zwischen Olivenhainen, Weingärten und Adria gelegen, lädt der 80 ha große Platz des Golfclubs Adriatic zum Abschlag ein. Gastronomen, Produzenten und Informationen finden Sie bei unseren erprobten Genussadressen, S. 70–80. Fotos: Kernmayer(1), AdobeStock (1), Schunck (1)
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