Istrien Magazin 2025

43 SSie hat bereits Tradition, die Frage, die sich mein Mann und ich bei jeder Anreise nach Istrien stellen: „Was wollen wir heute Abend essen?“ Nie, wirklich nicht ein einziges Mal, haben wir dieses liebgewonnene Ritual ausgelassen und selbst nach drei Jahrzehnten Ehe zu keiner Zeit dabei gestritten. Denn unsere Antwort ist einstimmig, immer dieselbe und verspricht ein kulinarisches Fest: Als Vorspeise wünschen wir uns Adria-Sashimi, danach je eine Jakobsmuschel vom Grill und als Hauptgericht Fisch. Die logische Folgefrage „Wo?“ wird allerdings länger diskutiert. Denn das Angebot ist groß. Schatzkammer in der Tiefe des Meeres Nicht zuletzt wegen ihrer Felsenküste gilt die kroatische Adria als eines der saubersten Meere weltweit. Nur selten durch Sand getrübt, beheimatet ihr kristallklares Wasser fast die Hälfte der gesamten mediterranen Artenvielfalt (!), wobei jede Jahreszeit kulinarische Spezialitäten bereithält. Dass man Muscheln nur in Monaten mit »r« essen soll, ist übrigens längst überholt – der funktionierenden Kühlkette sei gedankt! Nachdem rund um Istrien bereits in der Antike Fischfang und Muschelzucht betrieben wurden und auch die meisten Einheimischen bis zur Entwicklung des Tourismus vom Meer lebten, ist klar, dass die Fischerei hier vielmehr eine Lebensart ist, als ein Beruf. In den Sommerferien fahren die Kinder der »alten Seebären« oft schon im Alter von 12–14 Jahren mit hinaus. Gepackt von Abenteuerlust und Neugier sind manche von ihnen fest entschlossen, die Familientradition fortzusetzen. Glücklicherweise ist ein Funke dieser Leidenschaft auch auf die Gastronomen übergesprungen. Viele verzichten konsequent auf Importware, meiden nicht selten sogar Zuchtfisch aus heimischen Marikulturen und bieten an, was die lokalen Fischer mit Stolz und Erfahrung aus dem Meer gezogen haben. – Geleitet vom Motto »Klasse statt Masse« kehren wir bei diesen Gastronomen bevorzugt ein. Denn frischer geht’s nicht. Gerichte mit Geschichte Tatsächlich gibt es traditionelle Speisen, die heute noch so beliebt sind wie vor 500 Jahren. Etwa der Fischeintopf »Brodet« (auch »Brudet«), in den mindestens drei verschiedene, festfleischige Fischsorten wandern müssen. Eingebunden in den komplexen Geschmack liefern dabei interessanterweise selbst wenig geschätzte Arten unerwartete Qualitäten. Bei der Zubereitungsart »na buzara« garen Schalen- oder Krustentiere in einer sämigen Sauce, die »na bijelo« (weiß), mit Olivenöl, Zwiebeln, Knoblauch, Petersilie, Fischfond, etwas Wein und manchmal auch einigen Bröseln, oder »na crveno« (rot, zusätzlich mit Tomaten) eingekocht wird. An offenen Feuestellen garen ausgewählte Fische, Muscheln und Krustentiere auf dem Grill oder unter der heißen Glut. ▶ ADRIAFISCH, HUMMER, AUSTERN, MUSCHELN, OKTOPUS UND CALAMARI – LIEBHABER DER MARITIMEN KÜCHE SIND IN ISTRIEN GENAU RICHTIG. BEREICHERT WIRD DIE VIELFALT VON UNZÄHLIGEN ZUBEREITUNGSARTEN. Kreativ veredelt, wie der Oktopus von Chef Nikola Vučković im Rovinjer Boutiquehotel Spirito Santo (Bild oben), oder traditionell vom Grill an der offenen Feuerstelle, wie in der Novigrader Konoba Kod Kristijana? Reizvoll sind beide Zubereitungsarten. Und es gibt noch viele weitere. TEXT: Karin Hauenstein-Schnurrer FOTOS: Standl (3)

RkJQdWJsaXNoZXIy NzA5MzY2