JRE Passion Stories
10 PASSION STORIES No. 1 E in guter Film lebt von seinen Schau- spielern, oft als erfolgreiches Duo dargestellt. Walter Matthau und Jack Lemmon prägten so die Filmgeschichte. Ei- ner allein ist nur halb so erfolgreich. Die Gastronomie folgt dem gleichen Plot. Auch wenn der Landwirt dabei eher die Kom- parsenrolle bekleidet. „Wir müssen unsere Bauern in den Vordergrund stellen und ih- nen eine Bühne bieten“, sagt Hannes Mül- ler, Gastronom und Hotelier vom Weißensee (Die Forelle) und Nachhaltigkeitskoordina- tor der Jeunes Restaurateurs Österreich. In der Vergangenheit schwammen Gastrono- men auf einer Welle wie Popstars. Vergessen wurde auf die Produzenten. Für Müller ein Regiefehler. „Das Gericht entsteht beim Bauern und nicht in der Küche. Wir wollen darauf hinweisen, dass sie wesent- lichen Anteil an unseren Gerichten haben“, sagt er. NÄHE SCHAFFT VERTRAUEN Müller will wissen, wer die Karotten aus dem Boden zieht, die Kuh melkt und wer die Landschaft pflegt. Schon allein der Qualität wegen. Freilich wäre es einfacher, sich irgendwelche Kisten vom Großhandel liefern zu lassen. Nur wenn sich dann Rüben uniform wie Solda- ten aneinanderreihen und geschmacklich austausch- bar sind, gleicht das einem kulinarischen Drama. Die Bauern sind nun einmal keine Strichcodes und sie sind nicht anonym. Sie heißen An- dreas, Stefan oder Robert. „Wenn ich den Sellerie von Stefan schäle, tu ich mir schwer, etwas wegzuschmeißen“, sagt Müller. Um- gekehrt begegnet er den Bauern mit Wert- schätzung. Seine Speisen sind sein Sprach- rohr. „Wenn Stefan weiß, seine Karotte ist das Hauptthema im Gericht und er produ- ziert einen Star am Teller, dann macht ihn das natürlich auch stolz“, sagt Müller. Die Hälfte der Hauben, Sterne, Gabeln ge- hören den Landwirten erklären die Jeunes DER BAUER Sie sind das Yin und Yang der Gastro- nomie und prägen als dynamisches Duo die Zu- kunft des guten Essens. Die Jeunes Restaurateurs schreiben ein neues Kapi- tel über Zusammenarbeit, Natur und Respekt. UND DER KOCH Restaurateurs. Sie sind mehr als Produzen- ten. „Sie sind großartige Ideengeber und Visionäre. Ein Besuch auf dem Feld ist wie eine Weiterbildung für mich“, sagt Josef Floh aus Langenlebarn, der seit 25 Jahren die Philosophie des gegenseitigen Austau- sches pflegt. 75 biozertifizierte Partner be- liefern ihn ohne Umwege. Ohne Zwischen- handel. Floh verrechnet lieber direkt und fördert eine lange Partnerschaft. „Das ist kein Aufwand, sondern ein Mehrwert. Wir machen das immer schon so“, sagt er. Der Salzburger Andreas Herbst von der Rie- deralm in Leogang bestätigt den Zugang. „Wir planen gemeinsam für die ganze Saison und verhandeln keine Prei- se. Was es hat, das hat’s“, sagt Herbst. Freilich sind die Köche dabei gefordert, ganzheitlich zu denken. Zu oft wurden die Bauern genötigt, nur Edelteile zu liefern. Spätestens seitdem der „Nose to tail“- An- satz zum Blockbuster der Gastronomie geworden ist, löst sich der Knoten von Anspruch und Verfügbar- keit auf. „Der Koch muss sich be- wusst werden, wie er den Jahresablauf gestalten kann und, dass nicht alles zu jeder Zeit erhältlich ist“, sagt Müller. Eine unlösbare Denksportaufgabe? Nein, die Speerspitze der Köche reizt diese mangelnde Ver- fügbarkeit. Sie schränkt nicht ein. Im Gegenteil – sie fördert die Kreativität. „Filet kann jeder braten, nur Beuschl oder eine Wurst herzustellen ist eine andere Sa- che. Da trennt sich die Spreu vom Weizen“, erklärt Peter Pichler vom Molzbachhof. Für den Koch aus Kirchberg am Wechsel sind Kooperationen der richtige Weg. In seiner kleinen Ortschaft produzieren noch viele Bauern Lebensmittel und schaffen zu- gleich die perfekte Kulisse, die sonst nur in Werbeprospekten sichtbar ist. „Unsere Milch kommt aus der 20-Liter-Kanne vom Nachbarbauern und nicht mit vielen Trans- portkilometern aus dem Tetrapack.“ Pich- ler kommuniziert in der Speisekarte seine Lieferanten und vernetzt die Gäste mit den Bauern. Ein touristischer Mehrwert. Das ist in Niederösterreich genauso wie in Tirol. „Ohne Rinder und Schafe gibt es keine Landschaftspflege. Dann würde es bei uns wild ausschauen“, sagt Alexander Gründler vom Kulinarik- & Genießerhotel Alpin in Achenkirch. „Unsere Gäste schätzen das, wenn sie spazieren gehen und bei der Fisch- zucht vorbeikommen, wo sie gerade den Fisch gegessen haben.“ In solchen Landschaften zu flanieren knis- tert, begeistert und ist wie ein Höhepunkt eines Films zu sehen. Das Gemeinwohl be- trifft alle: Köche, Bauern, Konsumenten. Und mit jedem Bissen tragen sie dazu bei, ob die Kulturlandschaft erhalten und die regiona- len Bio-Bauern unterstützen werden - oder die industrielle Nahrungsmittelindustrie ge- fördert wird. Die JRE schreiben bereits das Drehbuch. Und so viel steht fest. Es ist eine filmreife Geschichte mit Happy End. Samstag, 8. 10.: „BAUER & KOCH“ am Weißensee in Kärnten. Ein lukullisches Erntedankfest am See als Referenz an die landwirtschaftlichen Produzenten. Im Mit- telpunkt stehen die Bauern mit ihren Lebens- mitteln, die Meisterköche zaubern daraus kleine Spezialitäten. dieforelle.at Foto: Stechaubauer »DAS GERICHT ENTSTEHT BEIM BAUERN, UND NICHT IN DER KÜCHE« Hannes Müller Die Forelle Foto: Martin Lugger Text: Philipp Braun CHEF’S DAHEIM - REINSCHAUEN IN HANNES MÜLLERS KURZVIDEO.
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