PASSION STORIES No. 2 PASSION STORIES No. 2 7 6 WEIN WIRD WEIBLICH In den Weinbergen ist das Patriarchat längst Geschichte. Von der Südsteiermark übers Nordburgenland bis ins Kamptal sorgen Winzerinnen mit ihren Weinen für Furore. Nun fällt langsam, aber unaufhaltsam auch eine der letzten Bastionen männlicher Dominanz: Die Sommelières sind in den Tophäusern im Vormarsch, leisten exzellente Arbeit und räumen so nebenbei auch mit diversen Vorurteilen auf. Text: Wolfgang M. Gran Sie sind leidenschaftlich, weltoffen und zielstrebig. Ihre Weine sprechen für sich selbst und heimsen Preise in dem Tempo ein, in dem ihre Erzeugerinnen die Weinwelt von alten Dogmen und Vorurteilen befreit haben. Winzerinnen von Rosé-Königin Pia Strehn im Burgenland über Katharina Tinnacher in der Südsteiermark bis zu Birgit und Gloria Eichinger im Kamptal haben bewiesen, dass es der Weinwelt sehr guttut, wenn sie weiblicher wird. Frauen in den Weinbergen sind längst keine Exotinnen in einer Männerdomäne mehr, sondern ein vielfach beachteter und respektierter Bestandteil eines entstaubten, modernisierten Gewerbes. Ein Gespür für Gäste ganz ohne Ego-Auftritt Sensiblerer Zugang zur Seele des Winzers Besser im Schmecken und Riechen? Längst nicht mehr nur Männersache Und wie reagiert eigentlich die Männerwelt auf diesen weiblichen Ansturm auf ihre einstige Domäne? In der Regel so entspannt wie Maximilian Lucian, Weindirektor im Burg Vital Resort in Oberlech: „Ich würde bei diesem Thema zwar nicht groß gendern, aber eines kann man schon sagen: Das größte Problem bei Sommeliers ist das Ego, und das tritt bei Frauen kaum auf. Die sind in der Regel sensibler, einfühlsamer und am Kunden stärker. Das ist insofern wichtig, weil Wein für Gäste das Erlebnis im Restaurant sehr stark beeinflussen kann. Und wenn man da dem Essen gut zuarbeitet und das Ego hintanstellt, kann man viel bewirken.“ „Wir Frauen haben eventuell einen anderen Zugang zum Wein. Wir spüren vielleicht mehr die Seele des Winzers und empfinden und beschreiben den Wein deshalb etwas anders als Männer.“ Ähnlich klingt ihre Kollegin Iris Vigne vom Restaurant Pfefferschiff in Hallwang bei Salzburg: „Die Frauen haben möglicherweise ein gewisses Gespür dort, wo der Wein ein wenig mehr ins Detail geht. Und nach Jahrzehnten männlicher Dominanz sehen die Herren jetzt, dass Frauen nicht nur gleich gut, sondern da und dort sogar besser sein können.“ Dass diese Einschätzung auch von außen geteilt wird, zeigt auch die jüngste „Rolling Pin“-Wertung der 50 besten Sommeliers in Österreich, bei der mit Barbara Eselböck, Sonja Rauch, Stefanie Wiesner, Laura Frömel, Katharina Gnigler, Sindy Kretschmar und Elisabeth Strömer sieben Frauen vertreten sind. Sonja Rauch, Jahr für Jahr ein Fixstern in diesem Ranking, beschreibt sehr schön, dass in diesem Beruf eine Platzierung in einer Bestenliste aber kein Ruhekissen sein kann: „Du speicherst einen Geschmack, aber der Wein ist ja ein Produkt, das jedes Jahr quasi einen neuen sensorischen Abdruck hat. Damit bedeutet ernsthaftes Leben mit dem Wein auch lebenslanges Dazulernen und Wachsen, weil das Thema nie zu Ende ist.“ Nicht ganz im selben Tempo funktionierte diese Entwicklung am Tisch beim Gast. Da war schon noch das eine oder andere Stirnrunzeln zu beobachten, wenn der Sommelier verlangt wurde und plötzlich eine Frau auftauchte. Barbara Huber, Chefin und Sommelière im Restaurant Esslokal in Hadersdorf am Kamp erinnert sich: „Als ich anfing, war die Hauben-Gastronomie noch sehr männlich dominiert, und da war vor allem auch der Wein reine Männersache.“ Aber es waren Frauen wie Barbara Huber, die maßgeblich dazu beitrugen, diese verkrusteten Strukturen aufzubrechen: „Da kam viel Bewegung hinein, und heute sucht auch nicht mehr automatisch der Mann bei Tisch den Wein aus. Vor allem bei jüngeren Gästen gibt es nicht mehr Frau und Mann, sondern nur noch ein Wir.“ Eine Entwicklung, die viele neugierig macht. An der Ruster Weinakademie befasste sich sogar eine Diplomarbeit mit dem Thema „Wie weiblich ist die Weinwelt?". In Deutschland wurde eine Film-Dokumentation mit dem Titel „weinweiblich“ fürs Kino gedreht. Und weltweit befassen sich Studien mit der Frage, ob Frauen aufgrund anderer Vernetzungen im Gehirn die besseren Riecherinnen und Schmeckerinnen sind als Männer – und damit auch prädestinierter, als Sommelière zu arbeiten. Und ja, es kam bei diversen Untersuchungen heraus, dass der Frauenanteil bei den sogenannten „Superschmeckern“ höher ist. Aber über die Eignung als Weinkennerin sagt das noch nichts aus. Da ist es spannender, zum Beispiel Monika Müller zuzuhören, die im Genießerhotel Die Forelle am Weißensee die Hauben-Küche ihres Mannes Hannes als Sommelière ergänzt: Maximilian Lucian, Griggeler Stuba im Burg Vital Resort Iris Vigne, Restaurant Pfefferschiff Monika Müller, Genießerhotel Die Forelle Barbara Huber, Restaurant Esslokal Vielfach prämiert: der Weinkeller im historischen Gewölbe im Kirchenwirt 1326. Sonja Rauch, Restaurant Geschwister Rauch (Sommelière des Jahres 2024 – Bertelsmann Verlag) Hans-Jörg Unterrainer, Kirchenwirt in Leogang seit 1326 Eine Einschätzung, die Hans-Jörg Unterrainer, Chef und vielfach ausgezeichneter Sommelier im Leoganger Kirchenwirt mit seinem Gourmetrestaurant, vollinhaltlich teilt: „Es gibt in unserem Metier mittlerweile viele Frauen, die nicht nur das Fachwissen mitbringen, sondern ein besonders gutes Gespür dafür haben, die Wünsche und Vorstellungen der Gäste zu erfühlen und in die Weinbegleitung zu implementieren. Und das ist letztlich der Schlüssel zu einem unvergesslichen Genusserlebnis.“ Foto: Michael Reidinger Foto: Lukas Kirchgasser Foto: Joerg Lehmann Foto: Joerg Lehmann Foto: Günter Standl Foto: standbild.at Foto: Michael Buchling Foto: Stefan Eder CHEF’S ROULETTE 2024 MI, 2. OKTOBER Österreichs originellstes Gourmet-Event geht in die nächste Runde. Mehr als 30 Spitzenköch:innen kochen groß auf, aber nicht bei sich, sondern in den Lokalen ihrer Kolleg:innen. Wer wo am Herd steht, bleibt bis zu den ersten Gängen streng geheim. WIE FUNKTIONIERT CHEF’S ROULETTE? Die Gäste buchen für diesen Abend in einem der teilnehmenden JRE-Restaurants, wissen aber nicht, wer wo kocht. Das bleibt auch bis zu den ersten Gängen die große Überraschung. Jeder Teller gibt Raum für Spekulationen und Vermutungen und macht diesen außergewöhnlichen Abend zusätzlich unvergesslich und spannend. Abgerundet wird dieses fantastische Genuss-Erlebnis durch eine entsprechend hochkarätige Weinbegleitung, wobei in einigen der Restaurants auch Winzer:innen persönlich anwesend sein werden. Preis für 5-gängiges Menü inkl. Aperitif, Weinbegleitung, Mineralwasser und Kaffee € 165,-. Rechtzeitige Tischreservierung im gewünschten Restaurant unbedingt erforderlich. jre.at TIPP: Ein Besuch beim Chef’s Roulette ist auch ein super Geschenk!
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