Kvarner Magazin 2022
8 A ngekommen, und die Welt ist eine bessere: Düfte, Farben, Ge- räusche – sogar das Zeitgefühl hat sich verändert. Und so führt mein erster Weg noch vor dem Bezug des Quartiers nach Volosko. Ein Drink mit Blick auf die kleinen Fischerboote in greif- barer Nähe muss einfach sein. Und nirgend- wo anders wäre ich jetzt lieber... Die Kvarner Bucht, der klimatisch be- günstigte Mikrokosmos zwischen Istrien und der kroatischen Festlandküste, zeigt sofort Wirkung: Entweder mich durchfließt pure Energie oder ich komme völlig zur Ruhe. Es gibt nichts dazwischen. Da ist einerseits das lässige Treiben in den Häfen, das Gewusel auf den Märkten und das lebensfrohe »Bok« (ver- gleichbar mit unserem »Hallo«) in den Cafés der Fischer- und Küstenorte. Auf den Straßen darf noch gehupt werden, Blüten formen ihr eigenes Meer, und selbst mausgraue Wände changieren in allen Farben der Patina. Ein einzig(artig)er Adriagarten Andererseits lassen sich selbst mitten im Sommer fast überall Rückzugsorte finden: An den Küsten unter Lorbeerbäumen, Bou- gainvilleen, Palmen und Oleandersträuchern. Auf den Inseln zwischen immergrünen Stein- eichen, Pinien, Zypressen, Olivenhainen und duftenden Wildkräutern. Im gebirgigen Hin- terland umgeben von Stille, kaum berührter Natur und einem großen Freiheitsgefühl. Das nahe Karstgebirge beheimatet noch Naturwunder, weckt die Abenteuer- lust und verwandelt die gesamte Bucht in einen einzig(artig)en Gartenpark. Wie ein mächtiger Schutzwall bewahren das Učka-Gebirge, das Hochplateau Gorski Kotar und das Velebitmassiv (von West nach Ost) die Kvarner Bucht vor kalten Luftströmen. Selbst subtropische Pflanzen gedeihen hier am fünfundvierzigsten Breitengrad, exakt mittig zwischen Nordpol und Äquator. Wer Meer hat ... Das äußerst erholsame »nichts tun, außer Nichtstun« gelingt mir nirgendwo besser. Einfach nur das sinnliche lokale Parfum inha- lieren: die Würze des Meeres, die Süße von Akazien- und Lorbeerblüten, von der Sonne konzentrierte Wildkräuteraromen... Wenn es mich überkommt springe ich schon im Mai ins Meer – einerseits weil die milden Temperaturen Sommergefühle bei mir wecken, andererseits um dem Regen- schirm, der zuhause noch griffbereit an der Tür hängt, die Zunge zu zeigen. – Ja, das Glück liegt hier in der Luft. Kroatiens »Dolce Vita« heißt »lagodan život«, übersetzt: das leichte, gemütliche – das einfache Leben. In diesem Sinn hat der Abenteurer und Autor Marc Bielefeld eines seiner Bücher treffend betitelt:»Wer Meer hat, braucht weniger«. Die Riviera von Opatija Zuckerbäcker-Charme mit Palmen Dem Ruf als » Eingangstor zum mediterra- nen Raum « wird die Riviera von Opatija mit ihren Parks, den Gründerzeitvillen und der wunderschönen Meerpromenade absolut gerecht. Der Blick auf die Adria, die Hafen- stadt Rijeka sowie die Inseln Cres und Krk sind für mich bei jeder Ankunft etwas Beson- deres, und wenn die erste Palme auftaucht, switcht meine Befindlichkeit komplett auf Müßiggang. „Palmen, nur wenige Autostunden von zuhause entfernt?“ fragte unlängst ein Freund skeptisch. Ja, und zwar richtig statt- liche, nicht nur die buschigen »Mittelmeer- knirpse«! Vor rund zweihundert Jahren kamen die Exoten, um für immer zu bleiben: Seefahrer brachten sie von Übersee mit, um den Parks und Gärten ihrer Heimat elitä- res Flair zu verleihen. Die noblen Kurgäste waren beeindruckt und flanierten umso lieber durch die Grünanlagen – nicht weit von Wien entfernt und doch so anders (...). ALS ES MICH VON BERLIN NACH ÖSTERREICH VERSCHLUG, ÜBERSIEDELTE ICH IN GEWISSER WEISE AUCH AN DIE KVARNER BUCHT. NUR WENIGE AUTOSTUNDEN ENTFERNT, IST DORT ALLES WESENTLICH ENTSPANNTER UND ÜBERAUS INSPIRIEREND: MENSCHEN, TIERE UND VOR ALLEM DIE LUFT MIT IHREN MEERES- UND KRÄUTERAROMEN. TEXT KARIN HAUENSTEIN-SCHNURRER Bis heute leben hier indische und kaliforni- sche Palmen in trauter Eintracht mit Pinien, Lorbeerbäumen, mediterranen Eichen und anderen Zugereisten: Zedern aus dem Hima- laja, Ginkgobäumen, chinesischem Zimt und Bananenstauden. Weil die »heilklimatische Karriere« von Opatija (damals Abbazia) 1889 als Winterkur- ort des europäischen Adels begann, setzte man auch in der kühleren Jahreszeit farben- frohe botanische Reize. So blühen zwischen Dezember und April zunächst die stark duf- tenden japanischen Mispeln, gefolgt von Kamelien in vielen Farben (S. 16). Der » Adria- Garten von Schönbrunn« ging auf diese Weise in die Geschichte ein. Das Blumenbeet vor der Villa Angiolina im gleichnamigen Park von Opatija blüht in historisch vorgegebenen Mustern; für jede Jahreszeit gibt es einen Pflanzplan. Teilweise als Denkmal der Landschaftsarchitektur ge- schützt, beheimatet der Park auch die Gartenbaufirma Parkovi, die mit der Zucht von rund 70.000 einjährigen Blühpflanzen eine rund 150-jährige Tradition pflegt: Im frühen Frühling werden Bego- nien, Salbei und Tagetes kultiviert; im Mai die silberfarbige »Cineraria Maritima« (Aschenpflanze), blauer Ageratum und indisches Springkraut. BLÜHKULTUR Fotos: Heuer (1), Franolić (1), TVB Kvarner (1)
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