Wachau Magazin 2020

Z E I T R E I S E 34 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 Z E I T R E I S E V. DER ADMIRAL DER DONAU Von den unzähligen Schiffsleuten, die seit den Anfängen die Schifffahrt auf der Donau präg- ten, ragt eine Persönlichkeit hervor: der aus Ybbs stammende Schiffsmeister (Reeder) Mat- thias Feldmüller (–1850). In seiner Werft wur- den jährlich bis zu 40 neue Schiffe gebaut. In guten Zeiten beschäftigte er über 250 Knechte. Er verfügte über 150 Pferde. Jährlich wurden gut 850 Schiffe stromabwärts nach Wien, und 350 von Pferden auf Treppelwegen (Traidel- pfad) stromaufwärts gezogen. Feldmüller verband eine tiefe Freundschaft mit seinem Kaiser Franz I. von Österreich. Ihm half Feldmüller in den Napoleonischen Kriegen. Die Soldaten des Kaisers der Franzosen requirier- ten seine Schiffe für den Transport von Solda- ten und Kriegsmaterial. Von sich aus gab Feld- müller seinen Leuten geheime Anweisung, mit vorgetäuschter Ungeschicklichkeit die Schiffe mit den französischen Soldaten auf Schotter- bänke auflaufen zu lassen. Derart sollte die An- kunft der Armee in Wien verzögert werden. Aus der Sicht der Franzosen ein Sabotageakt, der – wenn die Absichtlichkeit entdeckt – mit sofor- tiger Erschießung geahndet worden wäre. Feldmüller riskierte mit diesem Dienst sein Leben und das seiner Familie. Seitdem trug der Reeder den Titel »Admiral der Donau«. VI. WETTE AUF DIE FREUNDSCHAFT Feldmüller baute von Kindheit an die tiefste Freundschaft mit seiner Donau auf. Außer mit seiner Familie war er mit keiner anderen Schöpfung Gottes so eng verbunden wie mit diesem Strom. Als Feldmüller die Nachricht von einem Schiff namens Maria Anna erreicht, das mit einer Dampfmaschine ausgestattet gegen den Strom von Wien nach Linz fahren sollte, tut er dies als Na, und was wissen wir denn schon über die Verhältnisse unserer Urururur-Großeltern oder unserer Urururururur-Großeltern? Die haben doch sicher weder Aufenthaltsgenehmigung noch eine beglaubigte Ahnentafel oder einen Herkunftsnachweis gehabt. Derartiges wurde auch nicht von ihnen verlangt. Und was kann da nicht alles vorgekommen sein in einer alten Familie von der Donau, von diesem melting pot« Europas? Und jetzt stellen wir uns doch einmal unsere Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt. Da war vielleicht ein römischer Centurion in Vindobona, ein schwarzer Kerl, dunkel wie eine reife Olive, der einem blonden Germanen-Mädel Latein beigebracht hat. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, der war ein ernster Mensch, er ist noch vor der Heirat Christ geworden. Er hat die katholische Haustradition begründet. Und dann kam ein griechischer Arzt und Hauslehrer, der das Verständnis für Philosophie und Geschichte weckte. Und ein keltischer Legionär, ein irischer Wandermönch, ein Korporal der Grande Armée«, ein wandernder Müllersbursch aus Lothringen, ein Schiffer aus Belgrad, ein magyarischer Getreidehändler aus Budapest, eine französische Schauspielerin aus Paris, die hat die Theater-Tradition in der Familie begründet, eine böhmische Musikerin aus Prag, die hat das Niveau in der Hausküche und der Hausmusik gehoben, eine Prinzessin aus Byzanz, die hat die Düfte und einen Hauch der Kultur des Orients ge- bracht. Das alles hat an der Donau gelebt, gestritten und sich immer versöhnt, getrunken, gesungen, geliebt und Kinder gezeugt. Und wenn es drauf ankam, hat man immer zusammengehalten. Und auch nach sehr, sehr dunklen Stunden ließ man doch immer wieder Vernunft einkehren. Und der Grillparzer, der Hofmannsthal, der Werfel, der Zweig, der Schnitzler, die kamen aus diesem guten Topf, wie auch der Mozart, der Haydn, der Schubert, der Mahler, der Bruckner, die ganze Strauß-Familie, der Lehar, und der Korngold, der Schiele, der Klimt, der Kokoschka, der Sigmund Freud, der Landsteiner, der Wittgenstein. Und erst die vielen starken Frauen mit Weitblick, Kreativität, Kraft und Entschlossenheit, die Maria- Theresia, die Bertha von Suttner, die Margarete Schütte-Lihotzky, die Lise Meitner, die Alma Rosé, die Ebner-Eschenbach, die Preradovic und ... ach, wir müssen doch nur die vielen Namen im Lexikon nachsehen. Und zu viele von ihnen, leider viel zu viele, sind schon vergessen. Aber es waren die Besten! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker an der Donau vermischt haben. Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendi- gen Strom zusammenrinnen, wie die Donau, die unaufhörlich Tag und Nacht ihre fast 3000 Kilometer mit der Kraft der vielen Zubringer aus den Alpen fließt, fließt und immer weiter fließt, durch die weite ungari- sche Tiefebene, durch die Porta Hungarica und durch das Eiserne Tor wo die Zu-Flüsse Drau, Save und Theiß das Volumen verdoppeln und sich schließlich in das große Schwarze Meer ergießen. Von der Donau, das heißt von Europa sein. Das ist natürlicher Adel. Das hat Qualität. Das ist mehr als Gemischter Satz! Seien wir doch stolz darauf, aus diesem Europa zu sein. Prost! « « VER-Mission impossible? VON DER DONAU, VON EUROPA SEIN KOMMENTAR S P I TZ Dr. Gottfried Thiery Phantasterei ab: »Unmöglich, keine Maschine kann die Strömung meiner Donau bezwingen. Das können nur Herakles oder die Kraft meiner Pferde. Aber eine Dampfmaschine gegen den Strom von Wien nach Linz in weniger als 60 Stunden? Unmöglich! Da gerät die Welt aus den Fugen. Das wird meine Donau nie zulassen.« Feldmüller erfährt in den Nachmittagsstunden des 13. September 1837, dass in der Früh das Dampfschiff Maria Anna im Wiener Donaukanal ablegt. Nach zwei Tagen folgt die Nachricht, dass das Schiff problemlos Stein an der Donau erreicht. »An der hohen Fließgeschwindigkeit in der Wachau wird dieses Schiff aber scheitern«, spricht sich Feldmüller Hoffnung zu. Seine Gedanken sind im- merfort bei dem herandampfenden Schiff. Die Nachricht, dass Dürnstein und Aggstein passiert werden, trifft den Reeder wie ein Schlag ins Herz. Jetzt sind es nur mehr 20 Kilometer bis zum Sitz seines Unternehmens in Ybbs. »Im Ni- belungengau wird die Donau mir die Treue halten.« Aber bald erscheint der hohe Schlot des Schiffes, dem mächtige Rauchwolken entsteigen. Jeder Herz- schlag ist ein Stoßgebet: »Meine Donau, lass es nicht weiterfahren.« Rasch dampft die Maria Anna gegen Ybbs heran. In diesem Augenblick stirbt in Feldmüller etwas Hohes, Schönes, was er sein ganzes Leben in seinem tiefsten Herzen mit sich getragen hatte: die Liebe zu dem Strom. An diesem Tag war ihm, als hätte ihn sein bester Freund verra- ten. Wie ein heimliches Einverständnis war es bislang zwischen den beiden gewesen. Wann immer Feldmüller auf die still ziehenden Fluten hinsah, war es ihm, als grüße ihn ein vertrautes Lächeln. Jetzt auf einmal war aus dem Gesicht des Stromes alle Seele gewichen. Der blanke bewegte Wasserspiegel wurde ihm fremd. Das Treideln auf der Donau hat seit über einem Jahrhundert ausgedient. Und auch die Dampfschifffahrt gehört mittlerweile seit Jahrzehnten der Vergan- genheit an. VII. NEUES LAND Die Donau schiebt jedes Jahr mehrere Millionen Kubikmeter Landmasse aus Erde, Schotter und Sand durch das Delta in das Schwarze Meer. Das entspricht mehreren Cheops-Pyramiden. Alleine bei Sulina ringt der Strom dem Meer jähr- lich bis zu 10 Meter ab. Das meiste Material stammt aus den 2.000 Kilometer entfernten Ostalpen. Dort bearbeiten Frost, Hitze und Gletscherschliff das Hochgebirge. Wo die Donau endet, vergrößert sie den alten Kontinent an den Küsten des Schwarzen Meeres mit neuem Land. Auf ihrem Weg vom Schwarzwald bis dorthin beschenkt sie unablässig die Menschen Europas mit ihren jahrtau- sendealten Kulturen. Die Kraft der Donau eint sie fortgesetzt in ihrer Vielfalt. Foto: The Picture Art Collection Alamy Stock Foto Foto: Donau NÖ Tourismus, Rita Newman Foto: Karl Heinz Paulus Legendäre Persönlichkeit der österreichischen Schifffahrtsgeschichte: Matthias Feldmüller, der »Admiral der Donau«, gemalt von Ferdinand Georg Waldmüller. Die Donau als Wiege Europas, als wichtiger Wasserweg oder fließende Grenze Donau au fwärts Die historische Schifffahrt auf der Donau – stromabwärts und -auf- wärts – mit überregionalem Thema vor dem Einsatz von Dampfmaschinen. www.schifffahrtsmuseum-spitz.at (1. 4. bis 31. 10., täglich 10 bis 16 Uhr) Eine abwechslungsreiche Reise entlang der Donau, stromaufwärts vom Schwarzen Meer. Jede durch- reiste Region rückt ein charakteristi- sches Merkmal(kulturhistorisches, na- turräumliches) in den Fokus dieser Ausstellung. Darüber hinaus gibt es Querschnittsräume, in denen verschiedene Facetten der Funktionen bzw. Wahrnehmung der Donau betrachtet werden. www.schallaburg.at SCHALLABURG 28. März bis 8. Nov. 2020 S CH I F F FAHRT SMUS EUM WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 | 35

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