Wachau Magazin 2020
WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 | 49 M A R I L L E 48 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 M A R I L L E Wunderschön und raffiniert zugleich: Die unschuldige Marille hat ein pikantes Innenleben aus feinstem Geflügelleber- Parfait – ein perfektes Zusammenspiel von süß und salzig. Farben für den Fisch: Thomas Dorfer umgibt seinen in Sardellenbutter gebratenen Zander aus dem Neusiedler See mit Zucchinivielfalt und Kapern, grünen Bohnen, Schmormarillen und leicht gebundenem Chorizo-Gemüsesud. Thomas Dorfer, Restaurant Bacher ie Marille. Wer? So regional ist dieses Früchtchen, dass es schon beim Namen hapert. Denn die samt- wangige Süße, die in Österreich Marille, bei den deutschen Nachbarn jedoch Aprikose und bei den Schweizern sogar manchmal Baringel gerufen wird, läuft in der Wachau zu ungeahnter Höchstform auf. Was Qualität und auch Aroma betrifft. WIE PRÄGT DIE MARILLE DIE WACHAU? Die Marille ist neben der Traube die Paradefrucht an die- sem Abschnitt des Donautals. Und die Wachauer sind auf ihre Marillen kaum weniger stolz als auf ihren Wein. Wenn im April ein Meer aus winzigen Blüten in Rosa und Weiß einen Brautschleier über das Land legt ebenso, wie ab Mitte Juli, wenn die prallen, sonnengereiften Früchte mit ihren roten Bäckchen am Baum hängen und sich die Wachau für die Marillenfeste hübsch macht. WOHER STAMMT DIE MARILLE? Die Weingeschichte der Wachau ist mittlerweile bekannt, die Trauben sind mit den Römern gekommen und wurden später von Mönchen kultiviert. Aber die Marille? Wo kommt sie her? Ziemlich sicher ist: Sie ist eine Chinesin. Ob sie wirklich einst im Marschgepäck von Alexander dem Großen den Weg nach Europa gefunden hat, lässt sich nicht mehr genau sagen. Die einen bezeichneten das neue Obst als »prunus armenicus«, also armenische Pflaume, die an- deren als »persicum praecoquum«, frühreifer Pfirsich. Das wurde sprachlich einerseits zur Marille, andererseits zur Aprikose. D Foto: Michael Liebert Fotos (2): Herbert Lehmann In der Wachau im großen Stil eingebürgert hat sich das Ro- sengewächs jedenfalls nach der Reblaus-Katastrophe im 19. Jahrhundert, und schon bald gab es anstatt so manchen Weinbergs hübsche »Marillenwälder«. Bis heute. Und so hat die Marille der Wachau nicht nur einen landschaftlichen Stempel verpasst, sondern auch einen nachhaltig kulinari- schen. WAS MACHT DIE MARILLE EINZIGARTIG? Süß und mit feiner Fruchtsäure, ist die Marille ein echter Gaumenschmeichler. Was macht sie jedoch so besonders? Das Schnabulieren der Früchte ist ein Genuss ohne Reue. Denn 100 Gramm enthalten gerade mal 44 Kalorien – eine Marille wiegt etwa 50 Gramm – und davon sind rund acht Prozent Kohlenhydrate. Dazu kommt eine Prise Eiweiß, nämlich 0,9 Prozent, und fast kein Fett, nur 0,1 Prozent. Doch was Mineral- und Ballaststoffe sowie Carotinoide be- trifft, kann es die Marille mit jedem anderen Obst aufneh- men. Kalzium und sehr viel Kalium, Eisen, Phosphor, Vitamin C und B5, Provitamin A, Niacin sowie Folsäure – das Früchtchen ist ein echtes Schwergewicht in Sachen Gesundheit. UNTER WELCHEM SCHUTZ STEHT DIE MARILLE? Zwischen Krems und Melk steht die Marille unter beson- derer Aufsicht. Und zwar seit 1996 als eine innerhalb der EU geschützte Ursprungsbezeichnung. Natürlich nur so- fern es sich um eine »Wachauer Marille« handelt, die vom gleichnamigen Gebietsschutzverband streng kontrolliert 1679: Am 15. April dieses Jahres wird erstmals über die Mariln« in Oberarnsdorf in der Wachau vom Lesemeister des Hochstiftes St. Peter in Salzburg berichtet. 120 cm ist die maximale Stammhöhe des Wachauer Marillenbaums, auf dem die Rundkrone aufsitzt. 1900: Um dieses Jahr herum wurde mit dem gewerbsmäßigen Anbau der Marille begonnen. « Zahlenspiele zur Marille Der Verein »Wachauer Marille g.U.« bürgt für aromatische Früchte, die sich mit Fug und Recht Original Wachauer Marille nennen dürfen. Neben dem Herkunftsschutzzeichen der EU garantieren somit auch die 220 Marillenbauern und Vereinsmitglieder für Herkunft, Qualität und den einzigartigen Geschmack. Wer Blüte und auch Erntezeit nicht verpassen möchte, kann den Werdegang der Marille per Mausklick auf der alle zehn Minuten aktualisierten Webcam verfolgen, unter www.wachauermarille.at/wachauer-marille/webcam. 1679: 1900: 120 cm »Eine Frucht mit so vielen Seiten! Sogar in vegetarische Gerichte bringt sie Spannung, Frische und Farbe.« Hartmuth Rameder, Restaurant Hofmeisterei »Süße und kräftige Fruchtsäure machen die Marille universell einsetzbar.« MARILLEN-WEBCAM
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