Wachau Magazin 2020
WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 | 51 M A R I L L E 50 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 Christian Schickh, Landgasthof Schickh »Die Marille prägt nicht nur zwei Monate lang die Speisekarte, wir brennen sie auch zum Edelbrand.« wird. Ausschließlich ausgewählte Sorten – den Löwenan- teil halten die »Klosterneuburger« und die »Ungarische Beste« – wurden für dieses Obst von »unverwechselbarer Qualität«, wie es in dem EU-Dokument heißt, zugelassen. Mehr als 100.000 Bäume zählt der beachtliche Bestand. WANN IST ERNTEZEIT DER MARILLE? Vollreif soll sie sein. Dann schmeckt sie am besten. Der Nachteil für Genießer: Die Saison ist kurz, wenn die Marille ruft, heißt es schnell sein. Und auch vorsichtig. Denn nicht alles, was in der Wachau mit vollen Obststeigen am Stra- ßenrand steht, kommt auch aus der Wachau. Fliegende Händler jubeln bereits vor dem offiziellen Beginn der Ernte etwa ab Mitte Juli arglosen Touristen auch ungarisches oder burgenländisches Obst unter. Das kann durchaus gut sein – aber kein Vergleich mit dem Original. . Tipp: Auf dem Karton muss »Wachauer Marille g.U.« stehen. Eine Liste der Marillenbauern der Region wird jedes Jahr vom »Verein Wachauer Marille« herausgegeben, mit Orts- verzeichnis und aktuellem Angebot, verkauft wird meist ab Hof oder Marillengarten. WARUM SCHMECKT DIE MARILLE SO GUT? Für das einzigartige Aromenspiel sorgt das auch für die Weinqualität so wichtige Kleinklima der Wachau: ein Aro- magürtel zwischen Pannonischem Becken, Waldviertel und Donau, sowie die speziellen Böden und die sonnig-warmen Tage und die kühlen Nächte. Dadurch bekommt die Marille einen ganz besonderen Geschmack, ein raffiniertes Süße- Säure-Spiel, das sie in der Küche so vielseitig einsetzbar macht. Denn nicht nur die Klassiker wie die frische reife Frucht als seufzerlösendes Innenleben des Marillen- knödels oder als Kuchenauflage, wie auch fein eingekoch- tes Kompott und Röster stehen auf den Menükarten der Wachau. Die Marille inspiriert die Wachauer Spitzenköche immer aufs Neue mit ihrer modernen, pikanten Seite, glasiert zu Fleischgerichten oder als Chutney zu Pasteten und Käse. WIE KANN MAN DIE MARILLE GANZJÄHRIG GENIESSEN? Erfreulicherweise lässt sich diese Frucht so unterschied- lich in Gläser und Flaschen füllen, dass sie zu jeder Jah- reszeit auf verschiedenste Weise genießbar ist. Etwa die edlen Süßen: die Marmelade und das Kompott und – in der Konsistenz genau dazwischen – der Marillenröster, wie ihn der gelernte Österreicher gern zu Kaiserschmarrn, Mohnnudeln oder Griesauflauf verspeist; dazu der Saft, die Eiscreme und das Fruchtpüree – das mit einem Glaserl Winzersekt einen wunderbaren Wachauer Bellini ergibt – bis hin zu Fruchtgummi-Herzerln oder als Schokoladefül- lung. Und da wären die feinen Pikanten: umwerfend fruch- tige Chutneys, Senf und geröstete Marillenkerne, Essig- marillen und Marillenessig. Bleibt noch zu erwähnen: der verführerische Likör, die »b’soffenen« Marillen und – als Kö- nigsklasse – der preisgekrönte Edelbrand. Damit lässt es sich dann gerade mal aushalten bis zur nächsten Marillen- saison in der Wachau. Chic im Schickh: Am Fuße von Stift Göttweig hat sich das knusprig gebackene Hendlbrüsterl einen zarten Safranreis und fruchtig-knackig glacierte Marillen als Begleiter gewählt. Frucht und Fisch beim Jamek: Das marillengebeizte Forellenfilet wird mit dem nussigen Aroma gerösteter Mandeln und ein wenig Marillenkernöl perfektioniert. Einmal im Jahr wird in Spitz der Marille ein bunter Kirtag gewidmet. Mit Musik, viel Tracht, herzhaften Imbissen und – einem Marillenknödel- Automaten. Gegen Einwurf einer Münze rollt alsbald aus der Öffnung ein Knödel, frisch gekocht, gut bebröselt und gezuckert. Der wird freilich von zwei fleißigen Wachauerinnen – sozusagen im Akkord – hinter der Automatenwand hergestellt. Marillen-Menü Auch im Prandtauerhof bei Familie Holzapfel werden Marillenknödel aus frischen Früchten zubereitet und daher nur zur Erntezeit kredenzt. Dennoch gibt es das ganze Jahr über, auf Vorbestellung, ein hinreißendes Marillenmenü mit – von Barbara Holzapfel selbst – Eingekochtem und Eingelegtem: mit Hühnerleberparfait mit Essigmarillen & Wildkräutersalat, feinem Marillen-Karotten-Schaumsüppchen, Ramsauer Lachsforellenfilet in Marillensenfkruste zu Gemüseg’röstl, Wachauer Safranschaum und Erdäpfelnocken sowie geschmorten Kalbsbackerln mit Marillen-Krautfleckerl. Die süße Draufgabe: Topfennockerl mit Marillenröster. Nicht zu vergessen die Weinbegleitung aus den hauseigenen Lagen, bestens auf jedes Gericht abgestimmt, von Grünem Veltliner Capra 2017 und Achleiten Smaragd 2018 sowie Riesling Zehenthof Federspiel 2018, bis Hippolyt Weißburgunder 2013 und zum Dessert den Riesling Vorderseiber Smaragd 2018. MARILLEN-KIRTAG Foto: Gregor Semrad Fotos (3): Herbert Lehmann »Die Marille kommt direkt von den Bäumen rund um unser Haus erntefrisch auf unsere Teller.« Johannes Altmann, Weingut & Restaurant Jamek
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