Wachau Magazin 2020

WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 | 55 P O R T R A I T ls Manuela Wildeis noch ein ziemlich kleines Mädchen war, wollte sie Gastwirtin werden. Wie die Mama. Und Stewardess, selbstverständlich. Wie das halt so ist mit den Phantastereien kleiner Mädchen. Und was ist am Ende aus ihr geworden? Eine Stewardess. Und eine Gastwirtin. Na bitte, geht doch! Man könnte bei ihr auch sagen: aus himmlischen Sphären in himmlische Sphären. Heute Tokio, morgen New York – das war sechs Jahre lang der Alltag der Flugbegleiterin Manuela Wildeis aus Weißenkirchen in der Wachau. Sie hat mit Austrian Airlines die Welt gesehen, bevor sie die Wolken wieder gegen die Wachau eintauschte und als zweifache Mutter in den elterlichen Betrieb einstieg. Passenderweise in ein Gasthaus, dem man auch einen gewissen Bezug nach ganz oben attestieren könnte. Klingt »Kirchenwirt« denn nicht geradezu gottgefällig? Nach dem Motto:Wer brav zur Kirche geht, der darf danach auch guten Gewissens auf ein Glaserl einkehren? Wohl bekomms und vergelts Gott! Es gibt da die eine oder an- dere Stelle unter den alten Kreuzgewölben im Gastraum, da drängt der Fels auf dem die Kirche gebaut ist einfach hinein. Das ist beeindruckend. Über 900 Jahre Geschichte der mächtigen Wehrkirche Mariae Himmelfahrt, die impo- sant über Weißenkirchen thront, verbinden sich mit dem gut 500 Jahre alten Gebäude des Kirchenwirts direkt da- runter. Liegt es an solch guten Synergien, dass Manuela Wildeis und ihr Mann Christian immer so entspannt wirken und geradezu um die Wette strahlen? Wohl auch, aber da gibt es auch noch einen ganz profanen Grund: Der Umbau ist endlich fertig. »Wir präsentieren un- seren Gästen den Kirchenwirt in ganz neuem Glanz und können nun 43 Zimmer in vier Renaissancehäusern anbie- ten«, sagt Manuela Wildeis. Ohne an der historischen Substanz zu rühren, hat das Ehepaar mit viel Feingefühl eine neue Hotelwelt erschaffen. Küche und Gaststuben wurden erneuert und aufgefrischt, ein einladendes Rezep- tionsgebäude gebaut, samt Frühstücksbuffet, Weinpräsen- tationskeller und Lift für den barrierefreien Zugang. Zum Stammhaus gehören noch drei außergewöhnliche und lie- bevoll restaurierte Dependancen aus dem 16. Jahrhundert. Da wäre der denkmalgeschützte Renaissance-Arkadenhof, der mit seinem romantischen Zauber besonders Gäste aus Übersee zum Schwärmen bringt. Dann das Malerhaus Geller, ein Wohnhaus des bekannten Wachauer Künstlers. Und das urige Wellness-Winzerhaus mit Sauna, Dampfbad, Infrarot-Kabine, Erlebnisduschen und Ruheräumen, für das zwölf Tonnen Fels weichen mussten. Stolz ist Manuela Wildeis auch auf den neuen Hotelgarten mit Rosenpavillon, Relaxliegen und Natursteinmauern. »Nachhaltig bauen, das war uns sehr wichtig.« Der Kir- chenwirt war bis 1979 ein Wohnhaus, als ihre Eltern Fried- rich und Martha Köck, die auch heute noch tatkräftig mithelfen, übernahmen und eine Gaststube eröffneten. 1985 wurden die ersten Hotelzimmer vermietet. Heute schätzen Gäste das behagliche Ambiente und die großartige Küche von Chefkoch Jürgen Bicker mit verfeiner- ten österreichischen Klassikern. Auch Einheimische schauen gern vorbei. Es ist ein offenes Geheimnis, dass hier mit die besten Marillenknödeln der Wachau serviert werden. »Himm- lisch!« lauten die häufigsten Kommentare. »Bei uns ist jeder herzlich willkommen, ob im Fahrraddress oder im Geschäftsanzug«, sagt Christian Wildeis. Schließ- lich führt der Radweg Wien – Passau direkt am Stammhaus vorbei. Im Frühjahr 2019 hatte der Manager seinen Ab- schied beim Maschinenring Niederösterreich-Wien ge- nommen, um mit seiner Frau den Kirchenwirt zu leiten. Und wie klappt so der Hotel-Alltag im Ehe-Tandem? »Die Zuständigkeiten sollten schon klar geregelt sein«, schmun- zelt Manuela Wildeis. »Zum Glück ergänzen wir uns bes- tens. Christian kümmert sich ums Marketing und ums Budget, ich erledige den Rest.« Da bleibt auch noch genü- gend Zeit für Tochter und Sohn, 14 und 16 Jahre jung, und auch schon am Hotelfach interessiert. Die Ausrichtung für die Zukunft? »An unseren Wurzeln und Traditionen fest- halten und gleichzeitig mit der Zeit gehen.« Ein Glashaus für edle Weine: Manuela und Christian Wildeis vor der neuen Vinothek, die zu spannenden Degustationen einlädt (1). Bei schönem Wetter geht natürlich nichts über die Terrasse gleich neben dem romantischen Hotelgarten (2). Aber auch unter den 500 Jahre alten Gewölben speist sich vortrefflich. Modern interpretierte österreichische Klassiker dominie- ren die Speisekarte (3). Gute Nachbarn seit 400 Jahren: Die stolze Wehrkirche Mariae Himmelfahrt aus dem 11. Jahrhundert scheint den Kirchenwirt zu beschützen (4). So geht Relaxen in der Wachau: Sauna, Dampfbad und Erlebnisduschen locken ins historische Wellness-Winzerhaus (5). 1 Foto: Petr Blaha Fotos (4): Herbert Lehmann Text: Hans Schloemer DEPENDANCEN MIT CHARME MARILLENKNÖDEL- GEHEIMNIS HOTEL RESTAURANT KIRCHENWIRT, 3610 Weißenkirchen, T 02715/23 32, hotel@kirchenwirt-wachau.at, www.kirchenwirt-wachau.at A Der Kirchenwirt in Weißenkirchen ist eines der erstaunlichsten Hotel-Restaurants in der Wachau. Das liegt auch daran, wie geschickt und behutsam die Gastgeber Manuela und Christian Wildeis 500 Jahre Geschichte in die Moderne führen. IN HIMMLISCHEN SPHÄREN 4 2 3 5

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