Wachau Magazin 2020
68 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 W E I N - D E S I G N ANMUT STATT BEHÄBIGKEIT Im Weingut Knoll entschied man sich aus Platz- gründen für einen Zubau, um den Arbeits- und Wohnbereich zu erweitern. Die Anforderungen waren komplex: Das Weingut mitten in Loiben sollte zum Ortsbild passen und zudem optisch eine Einheit mit dem bestehenden historischen Stammhaus bilden. Vater und Sohn Knoll waren sich einig, dass nur eine traditionelle Bauweise den Anforderungen gerecht werden könne. Vor- bild waren alte klösterliche Lesehöfe mit einem Innenhof. Eine Aufgabenstellung, an der die meisten Architekturbüros schon in der Aus- schreibung scheiterten. Mit dem Wiener Archi- tektenduo Grebien und Gundacker habe man sich schließlich wohlgefühlt, erzählt Emmerich Knoll junior. Die Schwierigkeit lag dann im Detail: Vor allem Emmerich Knoll senior beschäftige sich leiden- schaftlich mit alten Bauformen und avancierte dabei zum Experten: Es gebe nur mehr wenige Handwerker, die überhaupt noch die nötigen Fertigkeiten beherrschten. Die habe man auf- treiben müssen: »Ein Aufwand, der sich lohnt«, ist er überzeugt. Früher konnte man sich auf Handwerker verlassen, sie wussten, wie man in der jeweiligen Region baute – ein Wissen, das fast verloren ging. In den 1960ern habe ein Wan- del beim herkömmlichen Baustil stattgefunden: Fertigteile ersetzten aufwendig gearbeitete De- tails, das Gefühl für harmonische Proportionen ging weitgehend verloren, und die Anmut alter Häuser wich klobigen Bauten. »Ich will keine Imitationen von Gesimsen aus Styropor«, wettert der Senior. Seine Hartnäckig- keit hat sich gelohnt: Der Neubau fügt sich stim- mig ins Ortsbild und korrespondiert mit dem Stammhaus. Einige Kunden würden sogar fra- gen, wo denn jetzt überhaupt der Neubau sei. Ein größeres Kompliment kann man den Bauher- ren wohl kaum machen. »Heute will sich jeder selbst verwirklichen«, glaubt der Vater – für ihn eine falsch verstandene Individualität, vergesse man dabei doch das Ensemble. Das sei wie beim Wein: Die Balance einzelner Bestandteile erge- ben ein harmonisches Ganzes. Das macht einen Wein groß. Vater und Sohn sind darin Meister. Ihre Gewächse zeigen eine feine Handschrift, die nie vordergründig oder aufdringlich ist, son- dern immer klar zeigt, woher die Weine kommen. HARMONISCH VOM GESTERN INS HEUTE Auch Josef Fischer aus Rossatz am rechten Do- nauufer setzt auf eine, behutsam an die Zeit an- gepasste, klassische Bauweise. »Ein ultramo- derner Glaskasten kam für uns nicht in Frage«, erzählt er, »das passt einfach nicht in die Re- gion!« Sein Weingut liegt mitten im Ort und ist umgeben von historischen Höfen und traditio- nellen Häusern. Es sei nicht so leicht, einen Neubau mit dem Status des Weltkulturerbes Wachau zu vereinbaren, weiß der junge Winzer: »Mir persönlich ist reine zeitgenössische Archi- tektur zu kühl«, urteilt er, »ich habe lieber wei- chere Formen, die mehr Wärme ausstrahlen.« Da der Neubau der Familie Fischer direkt an das alte, eher rustikal anmutende Gebäude an- schließt, war es ihnen ein besonderes Anliegen, möglichst stimmige Übergänge von »früher« zu »heute« zu schaffen. So hat man etwa die Holz- balken aus dem einstigen Verkostungsraum im neuen Haus wieder ebenso behutsam wie ge- konnt als Element eingebaut. Auch die Verklei- dung passt sich an das Landschaftsbild an. Die Steinmauern der Fassade sind ein Abbild der alten Trockensteinmauern in den Terrassen- weingärten der Wachau. Josef Fischer, der das Weingut vor einigen Jah- ren von seinem Vater übernahm, hat sich mit fruchtigen und charaktervollen Veltlinern und Rieslingen längst einen Namen gemacht – die Nachfrage wurde immer größer und somit auch das Platzproblem. Der topmoderne Weinkeller bedeutet für ihn eine wesentliche Arbeitser- leichterung und Verbesserungen im Ablauf – er kann nun auch mehr Lesematerial, also Trauben, gleichzeitig verarbeiten. Dass sich die Stilistik der Weine durch den neuen Keller ändert glaubt Fischer allerdings nicht – auch wenn er natür- lich technisch aufgerüstet habe. Alles ist funkel- nagelneu – und man darf mit viel Freude auf die kommenden Jahrgänge gespannt sein. WEINGUT FISCHER GV Smaragd Ried Kreuzberg 2018 Kraftvoll, dicht, elegante Textur, feiner Säurebogen, reife gelbe Frucht, zeigt Länge und Spannung, sicheres Reifepotenzial (94 P. bei Falstaff). WEINGUT KNOLL Riesling Ried Schütt Smaragd 2018 Kraftvoll, extraktsüß, feine gelbe Tropenfrucht, bleibt haften, Limetten im Nachhall, salziger Rückge- schmack, großes Potenzial (96 P. bei Falstaff). 1 2 4 3 5 6 WEINGUT SIGL Behagliches Wohlfühlen mit tollem Landschaftsblick ist angesagt, wenn man bei Heinz Sigl zur Verkostung von dessen eleganten Weinen Platz nimmt (1, 2). WEINGUT KNOLL Garantieren für Weltklasse-Weine: Emmerich Knoll und seine Söhne August (li.) sowie Emmerich jun. in ihrem traditionellen Winzerhaus im Schönbrunner Gelb (3, 4). WEINGUT FISCHER Angeschmiegt an den Weinbergen liegt das Weingut von Josef Fischer, der mit seinen ausdrucksstarken Grünen Veltlinern und Rieslingen aufhorchen lässt (5, 6).
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NzA5MzY2