Wachau Magazin 2020

74 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 W E I N S T I L ber steile Stufen geht es hinab in den Weinkeller. In dem alten Gemäuer stehen Stahltanks und Holz- fässer soweit das Auge reicht. Nur in einer kleinen Ecke finden sich Gebinde, die etwas seltsam anmuten: Eckig, rund oder eiförmig – aus Ton, Marmor, Beton oder Granit – Gefäße, die man nicht unbedingt in einem Wein- keller erwartet. »Das ist unsere Spielwiese«, erklärt Roman Horvath, Master of Wine und Weingutsleiter der Domäne Wachau. Am An- fang seien es nur Experimente gewesen, meint er, inzwi- schen habe sich daraus ein langfristiges Projekt entwickelt. Unter dem Namen »Backstage« werden einzelne Weine in Amphoren, Betoneiern oder Marmorfässern ausgebaut. MEHR ALS NUR EXPERIMENTE Sie sind nicht die einzigen: In allen Teilen der Wachau fin- det man inzwischen Winzer, die an Vinifikationsmethoden und Weinstilen abseits der Norm tüfteln. Neben dem Ausbau in unkonventionellen Gefäßen produ- zieren einige von ihnen auch Weißweine, die auf der Mai- sche vergoren werden. Dabei werden weiße Trauben nicht wie sonst üblich abgepresst, sondern wie bei Rotweinen für einige Zeit gemeinsam mit den Schalen vergoren. Gerb- und Farbstoffe, die in den Schalen enthalten sind, kommen so in den gärenden Most. Weißweine erhalten dadurch letztlich mehr Struktur und eine kräftigere Farbe – daher werden sie auch »Orange Wines« genannt. Sie schmecken würziger und herber als herkömmlich produzierte Weiß- weine. Maischevergorene Weine sind seit einigen Jahren ein weltweiter Trend, der auch vor der Wachau nicht halt- macht. Die meisten Winzer sehen es als eine Ergänzung ihres Sortiments, gewissermaßen als alternative Stilistik zu den traditionellen Wachauer Weinklassikern. WENIG EINGRIFFE BEI DER WEINWERDUNG So auch der Vießlinger Jungwinzer Georg Högl: Sein Grüner Veltliner mit dem bezeichnenden Namen »Freigeist« wurde mehr als ein Monat auf der Maische spontan mit natür- lichen Hefen vergoren – in einem traditionellen 500-Liter- Fass aus Eiche vom Manhartsberg. Es habe ihn gereizt, einmal etwas anderes zu probieren. Der Veltliner schmeckt herrlich frisch und vielschichtig mit feinen Gerbstoffen, kräftiger Farbe und leichter Trübung, weil er unfiltriert mit nur geringer Schwefelmenge abgefüllt wurde. Die Idee war, im Keller möglichst wenig einzugreifen – ein wenig wie früher zu vinifizieren, als Weinbauern noch nicht all die hochtechnologischen Mitteln zur Verfügung standen: »Zu schräg wollen wir es aber nicht machen!«, sagt er und lacht. Der Weißenkirchner Winzer Franz Zottl hat mit der Ernte 2018 ebenfalls sein erstes Natural-Wine-Konzept gestartet, seinen »Bein-Wein«. Fußgestampft und nach Zugabe eines erlesenen Reinzuchthefen-Crossings wurde der Grüne Velt- liner auf der Maische vergoren. Sein Ziel war eine Neu- interpretation und somit ein neues Geschmackserlebnis. Mit dem Ergebnis ist nicht nur er zufrieden – und so wird dieses Projekt in die nächste Runde gehen. GRANITFASS UND AMPHOREN Nur unweit entfernt baut Andreas Lehensteiner einen Ries- ling im Granitfass aus, ohne Putz und Stingl freilich, nur mit dem abgepressten Saft der Trauben. Die Idee schwirrte schon länger in seinem Kopf – sein Großvater habe ihm er- zählt, dass man früher bei geringen Erntemengen nicht zur Gänze gefüllte Fässer mit Steinen auffüllte. Der Winzer glaubt, dass es eine Interaktion zwischen Wein und Stein gibt. Die raue Oberfläche des Granits bietet eine ideale Sauerstoffzufuhr, die sich positiv auf die Entwicklung des Weins auswirke. Das Granitfass kommt von einem Produ- zenten aus Bayern und wirkt mit seiner markanten Form wie ein Exot neben all den herkömmlichen Weinfässern. 2015 gab es den ersten Jahrgang – inzwischen findet sich der Riesling fix im Programm und überzeugt mit kühler Mi- neralität und Eleganz. Am anderen Donauufer wagt sich Fritz Hutter vom Silber- bichlerhof einen Schritt weiter: Sein »Tribunus Favianis« 2018 ist bereits der dritte Jahrgang, den er in einer Tonam- phore ausbaut. Dabei werden Riesling- und Veltliner-Trau- ben eingestampft und etwa drei Monate mit Schalen und Text: Christina Fieber; Fotos: Günter Standl Ü Neben ihrem klassischen Programm probieren einige Wachauer Winzer auch alternative Weinstile und Ausbaumethoden aus. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und zeigt die Vielfältigkeit des Weinanbaugebiets. GANZ SCHÖN UNKONVENTIONELL PREMIERE Der »Bein-Wein« als erfolgreiches Projekt von Jungwinzer Franz Zottl. Der Natural-Wine des Weißenkirchners wurde vier Wochen auf den Schalen vergoren. Es wird nicht sein letzter sein!

RkJQdWJsaXNoZXIy NzA5MzY2