Wachau Magazin 2020
WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 | 77 76 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 W E I N S T I L Auf der nächsten Seite finden Sie dazu entsprechende Wein-Empfehlungen. Stielen in der Amphore vergoren, danach kommen die gro- ben Anteile weg, und der Wein reift weiter auf der Feinhefe. Diese weitgehend naturbelassene Methode der Vinifikation erfordert jedoch auch unbehandeltes Traubenmaterial. Im Weingarten setzt Hutter daher weder Herbizide noch In- sektizide ein. Der Name bezieht sich auf die lateinische Be- zeichnung von Mautern, dem ehemaligen Römerlager Favianis – dort stehen die Rebstöcke. Die Reaktion seiner Stammkunden sei unterschiedlich: Einige wollen den Amphorenwein gar nicht erst probieren, andere, vor allem jüngere Weininteressierte, zeigen sich begeistert. ABSEITS VON KONVENTIONEN Die Kunden von Erich Machherndl hingegen erwarten Produkte abseits des Mainstreams. Auch wenn die meisten seiner Weißweine klassisch ausgebaut sind, ist der Wösendorfer Winzer auch bekannt für seine exzellenten maischevergorenen Weine. »Pulp Fiction« etwa, eine Cuvée verschiedener Weißweinsorten, meist Frühroter Veltliner und Muskateller. Die Gerbstoffe, die durch diese archaische Methode in den Weißwein gelangen, stünden Aromasorten wie Muskateller oder Traminer besonders gut, ist Machherndl überzeugt. Seine Weine fallen in die Kategorie »Natural Wines«, da er seit vielen Jahren biologisch arbeitet, seit dem Jahrgang 2018 zertifiziert wurde und auch im Keller weitgehend auf Zusätze und Eingriffe verzichtet – eine Minimenge Schwe- fel, das war es dann auch schon. Antrieb für diese eigent- lich überholte Methode des Weinmachens sei das Ziel gewesen, immer minimalistischer zu arbeiten: »Ich will Un- nötiges weglassen, um nur mehr puren Wein abzufüllen«, erklärt Machherndl. Auch bei seinen »Klassikern« übt er im Keller Zurück- haltung – nichts soll den Ausdruck ihrer Herkunft verfäl- schen. Sein Markenzeichen sind staubtrockene, prägnante Weine mit Tiefgang, die auch im Ausland hohe Anerken- nung finden. AUSLOTEN VON GRENZEN Wie die meisten seiner Wachauer Kollegen, die mit alterna- tiven Vinifikationsmethoden experimentieren, will Franz Josef Gritsch ebenfalls Grenzen ausloten und Geschmacks- bilder schaffen, die vom Gewohnten abweichen – auch wenn er kein Freund von »freakigen Weinen« sei, wie er Ge- wächse nennt, die nicht mehr als solche erkennbar seien. »Es soll immer noch ein Genuss bleiben und keine Anstren- gung!« ist er überzeugt. Seinen maischevergorenen Grünen Veltliner nennt er »Schwarze Mauritius«, in Anlehnung an den Mauritiushof, den historischen Teil seines Weinguts am Spitzer Kirchplatz mit einer über 800 Jahre alten Geschichte. Vielleicht hat man so oder so ähnlich damals Wein gemacht. Das Etikett ist, anders als jene von seinen klassischenWeinen, schwarz. Vom Ergebnis ist er positiv überrascht: Die »Schwarze Mauritius« präsentiert sich straff, besitzt feine Kräuteraro- men und eine salzige Mineralität – »beinahe burgundisch«, schwärmt er. Die Trauben kommen aus dem Spitzer Gra- ben, werden mit den Schalen vergoren und reifen dann im kleinen Holzfass aus Ybbstaler Eiche. Nach 18 Monaten wird er schließlich abgefüllt. Auch der Spitzer Winzer Karl Lagler wollte wissen, was es mit den »Orange Wines« auf sich hat und füllte unter der »Edition Traditionell« schon 2012 einen maischevergorenen Grünen Veltliner ab. Natürlich sei es eine ganz andere, aber doch überaus interessante Interpretation eines Veltliners, der er durchaus hohes Reifepotenzial zutraue. UNVERFÄLSCHTE AROMEN Für Roman Horvath und seinem Team rund um Kellermeis- ter Heinz Frischengruber macht Experimentieren mit un- konventionellen Ausbauformen und Stilistiken jedenfalls großen Spaß. Ihr Riesling aus der Amphore zeigt sich le- bendig, feingliedrig und überaus präzise. Keine Spur von irritierenden Aromen, die man maischevergorenen Weiß- weinen aus der Amphore bisweilen nachsagt. Ein halbes Jahr lag der Riesling in den Tongefäßen, danach reifte er für weitere sechs Monate im Edelstahltank und Holzfass, ehe er ohne Schwefelzugabe und unfiltriert abgefüllt wurde. Man merkt die Erfahrung und das Können des Kel- lermeisters: ein harmonischer Wein mit feinen Gerbstoffen und enormer Struktur. Ob Amphore, Betonei oder Marmorfass: »Wir wollen die ein- zelnen Schattierungen spürbar machen, die durch andere Ausbauformen möglich sind«, erklärt Horvath, »mit weniger Technik unverfälschte Aromen erreichen«. Die »Spielereien« machen jedoch nur einen kleinen Teil der Produktion aus – man verstehe sich immer noch als ein klassischer Wachauer Betrieb – aber eben als einer mit Innovationsgeist. Ob traditionell, modern oder alternativ: Die unterschied- lichen Vinifikationsmethoden und Stile zeigen den Facet- tenreichtum der Weinregion Wachau und ihre erstaunliche, geschmackliche Vielfalt. Seit 2012 vinififiziert Karl Lagler maischevergorene Weißweine mit Lagerpotenzial. des Grünen Veltliners: um ihm markante Mineralität zu verleihen. baut seinen Riesling im Granitfass aus, Natur pur am Silberbichlerhof: Eine spannende Interpretation Wein im Stein:Andreas Lehensteiner Ganze drei Monate bleibt der »Tribunus Favianis« mit »Putz und Stängel« in der Amphore. Heinz Frischengruber (Domäne Wachau) zeigt auch bei Natural Wines sein Können. Ob Betonei oder Amphore: Die Weine sind top! Foto: Joerg Lehmann
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