Wachau Magazin 2020

WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 0 | 97 N A H A U F N A H M E atzenliebhaber sind ruhige Typen. Zurückhaltend, sensibel, empfindsam. Allerdings: Mit der Anpas- sungsfähigkeit soll es nicht so weit her sein... Diese Erkenntnisse verdanken wir einer aktuellen Studie der Carroll University im US-Staat Wisconsin. Wenn die Studie denn zuträfe: Wie wenig anpassungsfähig dürfte demzufolge ein Mensch sein, der in einem Haus mit bis zu 96 Katzen lebt? Manfred Deix, Kettenraucher, Karikaturist, Spießbürgerschreck, war so einer. Seine Stubentiger, den Pepi, das Hiaserl und die Miezi, die hat er Zeit seines viel zu kurzen Lebens regelrecht angehimmelt. Noch zuletzt, bevor er 2016 gerade mal 67-jährig verstarb, teilten er und seine Frau Marietta ihr Domizil mit 23 Katzen. »Sollte wer mein Katzi necken, müsst ich seine Leich ver- stecken« – wer weiß, ob die launigen Verse für sein Buch »Tierwelt. Katzen & Co.« nicht auch ein Körnchen Wahrheit enthielten. Von seinen Lieblingsvierbeinern hat er sich so einiges abgeschaut: »Sie toben über meinen Arbeitstisch, als ob der eine Wiese wäre, sie fetzen meine Stifte und Pinsel vom Tisch und zeigen mir, was gelebte Anarchie ist.« Wenn da etwas dran sein sollte mit der buddhistischen Lehre von der Wiedergeburt, könnte man sich einen re- inkarnierten Deix recht gut als einen strammen, Respekt gebietenden Kater vorstellen. Wild, frei, selbstbestimmt, aber auch ziemlich verspielt. Und immer für einen saftigen Krallenhieb zu haben. Selbstverständlich sind im Deix-Archiv im Karikatur- museum Krems auch diverse Katzenbilder zu sehen. Aber noch so viel mehr. Nirgendwo sonst bekommt man einen besseren Einblick in die Welt des Ausnahmekünstlers. »Die Cartoons von Manfred Deix entfalten im Original ihr gan- zes Potenzial«, sagt Gottfried Gusenbauer, Künstlerischer Direktor des Karikaturmuseums. »Technisch meisterhaft ausgeführt, sind sie inhaltlich ein zeitlos böser Abgesang über die österreichische Seele.« All die Protagonisten des Deix-Kosmos ’ sind hier in schrä- ger Eintracht versammelt. Ein Panoptikum der schrecklich normalen Freaks, der Bigotten und Sexbesessenen, der Heuchler und Pädophilen, der Dumpfen und Hinterhältigen. Die Aquarelle zeigen aber auch, mit welcher Hingabe und Liebe zum Detail diese Karikaturen entstanden sind. »Dieser Deix war eine Urgewalt, sein Zeichentalent hatte nichts Menschliches mehr«, erinnert sich sein Freund Gottfried Helnwein, einer der wichtigsten zeitgenössischen österrei- chischen Künstler. Tabus kannte Manfred Deix nicht. Mit bitterböser Satire setzte er vor allem Prominenten, Politikern, kirchlichenWür- denträgern und deren Bodenpersonal zu. »Die Leute, die es verdienen, denen muss man einen drüberziehen«, bekannte er in einem »Spiegel«-Interview. Wer nach allen Seiten aus- teilt, der sollte auch einstecken können. Diffamierungen, Prozesse und Anfeindungen begleiteten sein Schaffen, nicht selten konnte er sich über den Furor seiner Gegner herzhaft amüsieren. Doch hinter der Fassade eines »berserkerhaften Mannes«, wie ihn Gottfried Helnwein bezeichnete, steckte ein mitfühlender Menschenfreund. Deix, der sich zu gern als Enfant terrible inszenierte, ging nie auf die Schwachen los. Ironie und Sarkasmus verab- reichte er bevorzugt mit der großen Keule. Doch geschah dies stets im Sinne von berechtigter Gesellschaftskritik und der Aufdeckung institutionellen oder persönlichen Fehl- verhaltens. Rassismus, Sexismus, Bigotterie, Korruption, Spießbürgertum – die ewigen Themen. Zeichenstifte und Pinsel waren seine Werkzeuge, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Deix war zarte sechs Jahre jung, als er »erste Verkäufe von Nackertzeichnungen« unter seinen Mitschülern startete. Mit neun malte er ein hundertblättriges Daumenkino – eine K Text: Hans Schloemer DER MENSCHEN FREUND DIE SACHE MIT DER WIEDERGEBURT SCHRECKLICHE NORMALE FREAKS DEBÜT BEI DER KIRCHENZEITUNG Manfred Deix in der Pose von Auguste Rodins »Denker« im Karikaturmuseum Krems. Manfred Deix erforschte die Abgründe der Seele, indem er unermüdlich Tabugrenzen überschritt. Doch hinter der schonungslosen Abrechnung mit Spießbürgertum und Bigotterie offenbart eine großartige Ausstellung im Karikaturmuseum Krems das Werk eines unbeirrbaren Humanisten. Manfred Deix – Einblicke in die Welt eines Ausnahmekünstlers »Dieser Deix war eine Urgewalt, sein Zeichentalent hatte nichts Menschliches mehr.« Gottfried Helnwein Foto: Gunter S. Kargl Foto: Peter Rigaud c/o Shotview Syndication

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