Wachau Magazin 2022

16 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 2 Die besondere Gärtnerei. Stefan Hick betreibt in Weißenkirchen nicht nur eine Gärtnerei (oben). Dieser Mann lebt Pflanzen und liebt seine Heimat. Er hat die Wachauer Rose kreiert und sogar Wachauer Chili – wer den probiert hat, bleibt für immer scharf drauf. Fotos (3): www.extremfotos.com Auch der Wein blüht. Er tut es dezent, aber er tut es – der Wein (links), der im bunten Wachauer Jahresreigen ebenso dazugehört. Auch wenn andere Pflanzen, wie im Bild oben in Wösendorf, das farbenfroher machen. Wenn etwas mit starken Begriffen wie Herz und Seele beschrieben wird, muss es sich um mehr handeln als ein schlichtes Gärtlein. Um das zu verstehen, empfiehlt es sich, tief in die Geschichte einzu- tauchen. Im 9. Jahrhundert verfasste der Benediktinermönch und spätere Abt auf der Insel Reichenau, Walahfrid Strabo, sein De cultura hortorum« – das erst über 1000 Jahre später ins Deutsche übersetzt und als wahrscheinlich erste präzise Beschreibung von Heilkräutern und Blumen des Frühmittelalters erkannt wurde. Als es im Stift Melk darum ging, dem verwilderten Paradiesgarten neues Leben einzuhauchen, folgte man bei der Gestaltung und Anordnung Strabos uralten Weisheiten über Bedeutung und Heilkraft der ver- schiedenen Pflanzen. Heraus kam eine in der Tat paradiesische Kombi- nation von Poesie und altem Wissen, die sich dem Besucher am besten erschließt, wenn er sich zuvor in das im Stiftsshop erhältliche Hortulus«- Büchlein vertieft hat. Denn es ist eine Sache, weitgehend unbedarft vor dem Beet zu stehen, in dem Eisenhut und Andorn ver- meintlich friedlich nebeneinander vor sich hinwachsen – aber eine ganz andere, das mit folgenden Gedicht- zeilen von Walahfrid Strabo zu tun: »Sollten die Stiefmütter je feindlich bereitete Gifte mischen in das Getränk oder trügenden Speisen verderblich Eisenhut mengen, so scheucht ein Trank des heilkräftigen Andorns, unverzüglich genommen, die drohende Lebensgefahr.« Es ist in jedem Fall höchst amüsant, auch abseits feindlicher Stiefmüt- ter« anderen ausführlichen Beschreibungen zu folgen: Wenn er dem Wermut die Fähigkeit zuschreibt, Fieberglut zu vertreiben, gegen Gicht die Eberraute und gegen allerlei Wehwehchen den Salbei empfiehlt. Und es lässt nicht nur staunen, sondern ob der herrli- chen Wortgirlanden durchaus ein wenig schmunzeln, wie der Mönch schon vor 1200 Jahren die Wir- kungsweise des Fenchels beschrieb: »Sein Same, mit Milch einer Mutterziege getrunken, lockre, so sagt man, die Blähung des Magens und fördere lösend alsbald den zaudernden Gang der lange verstopften Verdauung.« « « « EIN STÜCK VOM PARADIES Für Pater Martin Rotheneder ist der sogenannte »Paradiesgarten« das Herz der imposanten Gartenanlage im Stift Melk. Und für seine Betreuerin Andrea Edelbacher offenbart sich in ihm die Seele der Pflanzen. Wermut Salbei Fenchel

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