Wachau Magazin 2022

72 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 2 metern pro Terrassen-Arbeitstag. Und das im be- ständigen Auf und Ab. Fußballer mit dieser Laufleis- tung spielen in der Champions League – aber ohne Steigung, sondern auf ebenem Rasen. Der sportliche Vergleich ist durchaus angebracht. Denn so wie im Fußball setzt auch Herwig Jamek seine Träger nach dem Rotationsprinzip ein: »Sonst kriegen sie mir zu lange Arme«, scherzt er. Durchschnittliche Hangneigung von 44 Grad Aber egal ob Leser oder Läufer – die Pause um 9.30 Uhr können sie alle gut brauchen. Bei leicht gezu- ckertem Schwarztee mit Zitrone, der bei den Jameks seit 60 Jahren auf dieselbe Art zubereitet wird, und einem belegten Wachauer Laberl wird Kraft getankt, ehe es bis Mittag unter der inzwischen schon sehr kräftigen Spätherbst-Sonne weitergeht: »Eine ge- wisse körperliche Fitness muss man schon mitbrin- gen«, schmunzelt Herwig Jamek, »aber man muss ja nicht rauflaufen, sondern kann sich im kleinen Gang hochkämpfen.« Als dann am Ende des Arbeitstages um 16.30 Uhr die Traubenkisten voll sind, sind die Akkus der flei- ßigen Helferlein trotzdem leer. Denn selbst im leich- ten Gang bleibt das eine schwere Arbeit. Zumal sie bei einer durchschnittlichen Hangneigung von 44 Grad erledigt werden muss und die steilste Stelle in der Ried Klaus 99 Grad Neigung aufweist. Da emp- fiehlt es sich schon, ein Auge nicht nur auf die Trau- ben, sondern auch auf die Standfläche zu haben. Individueller Charakter in steilen Lagen Warum man sich diese Arbeit überhaupt antut, er- klärt Herwig Jamek ganz einfach: »Oben wachsen die besseren Trauben.« Das liegt einerseits an der exponierten Lage, die mehr Sonne bringt, anderer- seits daran, dass es speziell der Riesling karg mag: »Der fühlt sich wohl, wenn er ordentlich gefordert ist.« Genau das ist auf den steilen, steinernen Ter- rassen garantiert, weil sich die Rebstöcke bei der relativ schmalen Humusschicht um ihr Wasser ziem- lich bemühen müssen. Dafür nehmen sie viele Mi- neralstoffe vom felsigen Untergrund auf, die den Weinen Individualität und unverwechselbaren Cha- rakter verleihen. Das hat Ende der 50er-Jahre des vergangenen Jahr- hunderts schon Josef Jamek, der Großvater der derzeitigen Chefin und Ehefrau von Herwig Jamek, Dr. Julia Jamek, erkannt. Er begann damit, Wein nach seiner Lage zu benennen und taufte den ersten »Höhen-Riesling« schlicht »Ried Klaus«. Wie in so vielem war Josef Jamek ein Pionier. Die Bewirtschaftung der Höhenlagen wurde genauso zum Wachauer Markenmerkmal wie die Lagen-Be- nennung der Weine. So erinnerte sich der legendäre Sommelier Adi Schmid 2017 in einem »profil«-Inter- view: »Der Riesling Ried Klaus vom Jamek war sei- nerzeit der erste Feger auf dem österreichischen Weinmarkt.« Ein Wein, der rasch die deutsche Spit- zengastronomie erobern sollte. Und dann im Ver- bund mit immer mehr Topweinen der Region als Botschafter der Wachau den Rest der Welt. Dieser herrliche Panoramablick auf die Donau und die sanften Wölbungen auf der anderen Uferseite entschädigt die fleißigen Helfer immer wieder für die schweißtreibende Arbeit im Weingarten. »ES IST NACH ALL DEN MÜHEN EINE HERRLICHE SACHE, WENN EINEM DIE SCHÖNE, HELLE FRUCHT AUS DEM WEINGLAS ENTGEGENSPRINGT.« DR. HERWIG JAMEK, WEINGUT JAMEK, JOCHING

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