Wachau Magazin 2022
74 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 2 Heile Welt für Pflanzen Ungemein artenreich ist die Flora in den Terrassenmauern. 550 verschiedene Pflanzenarten siedeln hier – vom Acker- stiefmütterchen über den Feldthymian bis zum »Wachauer Edelweiß«, dem Steinkraut, das im April in voller Blüte steht und die Felsmauern wie mit gelben Lampions ziert. Aber nicht alle Pflanzen sind erwünscht, denn manche ar- beiten im Steinwerk als regelrechte Zerstörer. Die Gemeine Waldrebe, die Robinie und vor allem der Götterbaum können die Mauern mit ihren dicken Wurzeln sprengen. Deshalb müssen diese Gewächse schon in einem frühen Wachstumsstadium mitsamt den Wurzeln entfernt werden. Vorrangig dienen die Terrassenmauern dem Weinbau, um Boden, Wasser und Nährstoffe zu regulieren und um vor Erosion zu schüt- zen. Durch ihre Bau- weise und die Wasser- durchlässigkeit entsteht aber auch ein spannen- des Mikroklima. Während es an den Außenflächen schon einmal bis zu 70 °C heiß werden kann, was vor allem für die wechsel- warmen Tiere paradie- sisch ist, bleibt es nur 20 Zentimeter weiter im Inneren konstant feucht, bei Temperaturen, die 25 °C nicht übersteigen. Damit fühlen sich auch interessante Schnecken- arten wie der Steinpicker oder die Schließmund- schnecke in diesem »Naturhotel« pudelwohl. Foto: www.extremfotos.com Aufwendige Handwerkskunst: Zu sehen ist immer nur ein Teil, denn bei einer 3 m hohen Trockensteinmauer muss das Fundament 75 cm Tiefe haben, weil im untersten Drittel der Druck am höchsten ist. Nach oben kann sich die Mauer verschmälern. Dahinter verbergen sich weitere Reihen an Steinen, die die Mauer stützen und stabilisieren. LEBENSRAUM FÜR TIERE. In den Trockensteinmauern mit ihren Spalten und Hohlräumen, ihren Sonnenplätzen und Schattenecken tummeln sich etwa doppelt so viele Tierarten wie in denWeingärten selbst – an die 50 hat man bisher gezählt. Das reicht von seltenen Spinnenarten, wie der Baldachin- oder der Finsterspinne, über die Gottesanbeterin bis zum »Wappentier« des edelstenWachauer Weines, der Smaragdeidechse. Die Terrassen sind die einzige Möglichkeit, wertvolle Anbaufläche zu gewinnen und die Steillagen mit bis zu 99 Prozent Gefälle nutzbar zu machen. Außerdem haben die Mauern den Vorteil, dass sie Wärme und Wasser speichern und sich positiv auf das Kleinklima im Weingarten auswirken. Symbol für den Artenreichtum in den Steinterrassen und die Qualität der besten Wachauer Weine: Die prächtige Smaragd- Eidechse ist Namensgeber für die gleichnamige Weinkategorie. DIE MAUERN ALS KLIMAZONE »DIE STEINE MUSST DU NEHMEN WENN DU SIE KRIEGST, NICHT WENN DU SIE BRAUCHST..« WEINHAUER HERMANN BÖHMER AUS DÜRNSTEIN Das Zitat stammt aus dem Buch »Stein auf Stein – die Wachauer Weinlandschaft« von Mella Waldstein und Gregor Semrad, Verlag Bibliothek der Provinz, € 29,–, ISBN: 978-3-85252-524-2 Foto: Gregor Semrad
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NzA5MzY2