Wachau Magazin 2022
Hochverehrter Herr Baumeister, waren Sie ein Kakao-Junkie? Am 2. Februar 1714 wurden Sie für ein Modell des Portals der Melker Klosterkirche anstatt mit einem ordentlichen Geldbetrag mit 24,5 Kilo Kakao und 75 Stangen Vanille bezahlt. Damit hat man mir in der Tat eine große Ehre erwiesen. Was man mir zuteilte, hatte immerhin einen Wert von 75 Gulden – was 25 Prozent meines Jahreshonorars für den Melker Klosterbau entsprach. Kakao und Vanille waren im Jahr 1714 Luxusgüter. Der barocke Genussmensch, ob in Wien oder in der Wachau, liebte Süßes. Festtafeln waren oft mit aufwendigen Zuckeraufsätzen dekoriert, die ganze Landschaften und Schlösser darstellten. Der Habsburger Kaiser Leopold I. soll unter permanenten Zahnschmerzen gelitten haben… Der Hochadel war geradezu verrückt nach Zucker, der rar und teuer war. Intensiv gesüßte Speisen gehörten zu den hervorragendsten Statussymbolen. Kein Wunder, dass an der Spitze der kaiserlichen Küchenhierarchie der Oberstzuckerbäcker stand, der mit jährlich 1.000 Gulden (Anm. der Redaktion: Der historische Gulden lässt sich nicht in Euro umrechnen, geschätzt dürften 1.000 Gulden einem heutigen Wert von 40.000 bis 50.000 Euro entsprechen) dreimal so viel verdiente wie die übrigen Spitzenköche. Man zuckerte nicht nur Kuchen und Torten, auch Rindfleisch in süßer Soße und Karpfen mit Zucker waren in Mode. Kakao galt zudem als Venus-Speise – als Aphrodisiakum. Kaffee und Tabak sagte man das Gegenteil nach. Darum wurden katholischen Geistlichen auch das Kaffeetrinken und Rauchen nahegelegt… Kakao, Vanille, Kaffee – es muss köstlich geduftet haben zu Ihrer Zeit. Im Gegenteil. Für die Menschen im 21. Jahrhundert ist es kaum vorstellbar, wie schmutzig zum Beispiel Wien war, wo ich als Geselle in der Werkstatt des Baumeisters Oedtl gearbeitet habe. Selbst Schlösser und Adelspaläste besaßen kaum Toiletten. Die Straßen waren mit Fäkalien, Schlachtabfällen und sonstigem Unrat verunreinigt. Der furchtbare Gestank wurde noch durch die mangelnde Kanalisation verstärkt. Das Benediktinerstift Melk ist das Haupt- und Lebenswerk Jakob Prandtauers. Von 1702 bis zu seinem Tod im Jahr 1726 war er mit der baulichen Erneuerung des Klosters befasst. Das Weltkulturerbe gilt als Gesamtkunstwerk des Barock, Architektur, Plastik und Malerei sind perfekt aufeinander abgestimmt. Auf ein Wort, Herr Prandtauer! ÜBER WEIBERSPECK, FLOHFALLEN UND BESOFFENE GESELLEN Foto: Michael Liebert Foto: Stift Melk/Peter Böttcher »Der Baumeister soll, so offt er zum Zuesehen herauf kommen wird, im Closter seine aigne Wohnung haben, und mit gebührend Kost versehen werden.« ABT BERTHOLD DIETMAYR VOM KLOSTER MELK IM VERTRAG MIT DEM »EHRENVESTEN UND KUNSTRAICHEN HERRN JACOB PRANDTAUER« Im Alter von 30 Jahren trat Berthold Dietmayr (1670–1739) sein Amt als Abt der Benediktiner- abtei Melk an. Er sollte es 39 Jahre lang ausfüllen. Für Prandtauer war der ehrgeizige Abt kein einfacher Auftraggeber. Wiederholt änderte Dietmayr seine Wünsche, wusste aber auch die Leistung des Baumeisters zu schätzen. Als der Rohbau der Melker Stiftskirche fertig war, belohnte er Prandtauer mit einem Bonus von fünf Jahres- honoraren. Foto: Huberta Weigl WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 2 | 85
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