Wachau Magazin 2022

Aber die Malerei im Barock zeigt lauter prächtig gekleidete Leute. Seide, Brokat, Samt, pompöse Perücken, voluminöse Reifröcke… Reifröcke waren teuer. Weniger wohlhabende Damen betonten ihr Hinterteil lieber kokett mit „Weiberspeck“. Das war ein ringartiger Wulst, den sich die Frauen unter dem Rock um die Hüften banden. Und unter den aufwendigen Perücken steckten nicht selten Flohfallen. Bitte was? Flöhe waren im Barock eine echte Plage. Man behalf sich mit Flohfallen, die unter der Kleidung oder unter Perücken getragen wurden. Kleine durchlöcherte Kapseln oder dünne Röhrchen aus Metall oder Knochen. Darin steckte ein mit Honig oder Blut getränkter Streifen Stoff, der die Blutsauger in die Falle locken sollte. Hätten es reichlich Wasser und Seife nicht auch getan? Im Barock scheuten vor allem die vornehmen Leute das Baden wie der Teufel das Weihwasser. Sie befürchteten, dass sich beim Waschen die Poren öffnen und Keime in den Körper eindringen könnten. Zu nah war die Erinnerung an die großen Pest-Epidemien. Die Menschen glaubten, dass die Seuche ihren Ursprung in den freizügigen Badehäusern des Mittelalters genommen hatte. Dass die Pest in Wirklichkeit durch Flöhe übertragen wurde, wusste man damals nicht. Sich von Kopf bis Fuß mit feiner Seife und einem Tuch abzureiben, galt deshalb als völlig ausreichend. Körpergeruch wurde mit Puder und kräftigen Parfüms überdeckt. Das Benediktinerstift Melk ist Ihr Haupt- und Lebenswerk. Ein Bauwerk, dessen Schönheit und Pracht wohl jeden in seinen Bann zieht. Aber es ist eben kein Schloss, sondern »nur« ein Kloster… Die reichen geistlichen Orden übertrafen in ihrer Bautätigkeit sogar den Kaiser. Diese gewaltige Prachtentfaltung des Barock sollte die Menschen zum Staunen bringen und sie nach den Glaubenskriegen von der katholischen Religion als der einzig wahren überzeugen. Der Dreißigjährige Krieg, in dem Katholiken gegen Protestanten kämpften, wütete von 1618 bis 1648 in ganz Europa. Zwei Drittel der Bevölkerung starben durch Kämpfe, Seuchen und Hungersnöte. Das Welt- und Menschenbild der Barockzeit kann man nur vor dem Hintergrund verstehen. Die Wiener Kunsthistorikerin HUBERTA WEIGL hat die sensationelle Karriere Jakob Prandtauers in einer zweibändigen Monografie auf 923 Seiten aufbereitet. 24 Jahre durchstöberte sie Archive, Kloster- und Stiftsbibliotheken. Das reich bebilderte Mammutwerk stellt nicht nur das Werk Prandtauers in Text und Bild vor, sondern gibt auch einen lebendigen Einblick in das Leben und in die Baupraxis des Barock. Die Autorin über ihre Erfahrungen, ein solch gigantisches Projekt zu stemmen: Kunsthistorische Forschung in diesen Dimensionen braucht einen Rahmen: eine Institution, finanzielle Mittel und vor allem auch ein Team, das gemeinsam forschend an einem Strang zieht.« Doch all das gab es nicht. Was ich freilich hatte, war ein wunderbares Netzwerk – Menschen, die mich beratend, lesend, anspornend und ermunternd unter- stützt und auch wieder aufgefangen haben, wenn mich das Projekt wieder mal an meine Grenzen gebracht hat.« Huberta Weigl: Jakob Prandtauer 1660–1726, Baumeister des Barock Michael Imhof Verlag, € 128,–, ISBN 978-3-86568-031-0 Ebenfalls sehr lesenswert, allerdings vergriffen und nur mehr antiquarisch erhältlich: »Jakob Prandtauer – Leben im Barock«, Katalog zur Ausstellung im Landesmuseum Niederösterreich, St. Pölten 2010, ISBN: 900-8-8950-073-2 « « Foto: Günter Standl Barocke Lebensfreude: Das Kellerschlössel der Domäne Wachau inmitten der Weingär- ten in Dürnstein. Neben Kellerführungen bildet es den feinen Rahmen für private Feste und öffnet als Heuriger 2x im Jahr seine Pforten. »Prandtauer war nicht nur Baumeister und Architekt in einem, er war auch ein exzellenter Künstler und geschäftstüchtiger Unternehmer.« BIOGRAFIN HUBERTA WEIGL 86 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 2

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