Wachau Magazin 2022

Ihr Auftraggeber, der Abt Berthold Dietmayr, zählte bei Baubeginn gerade mal 32 Jahre. Abt Berthold war zwar jung, aber auch sehr klug und ehrgeizig. Als einfachen Bauherrn kann ich ihn keineswegs bezeichnen, weil er sich permanent in die Planung der Melker Stiftskirche einschaltete. Der Abt wußte genau, was er wollte. Aber er soll Ihnen auch sehr zugetan gewesen sein. Nun, bei aller Bescheidenheit, war ich als Baumeister in der Lage, künstlerisch anspruchsvolle Entwürfe zu liefern. Ich galt als technisch versiert und konnte einen Bau im Unterschied zu einem Architekten auch selbst ausführen. Wer ein Projekt in meine Hand legte, durfte mit einer Lösung rechnen, bei der auch wirtschaftliche Aspekte wie der Einsatz von Material und Arbeitskräften Berücksichtigung fanden. Offensichtlich war genug Geld da? Die Klöster waren finanziell alle gut bestellt. Melk gehörte eindeutig zur ökonomi- schen Elite. Der Umbau der Klosteranlage inklusive Ausstattung und der Neubau der Melker Stiftskirche haben über 700.000 Gulden gekostet. Das heißt, dass der Abt jähr- lich fast 17.000 Gulden ausgegeben hat. Woher stammte das viele Geld? Das Kloster besaß große Ländereien und Weingärten. Wenn man bedenkt, dass Melk allein durch den Getreidezehent 21.000 Gulden pro Jahr einnahm, relativiert sich diese hohe Summe. Was fiel denn für Sie dabei ab? 300 Gulden jährlich bei freier Kost und Logis. Für den Neubau des Stiftes St. Florian gab es pro Jahr 160 Gulden. Der Architekt Johann Lucas von Hildebrandt bekam in Göttweig 600 Gulden, also wesentlich mehr. Ein einfacher Handwerker verdiente durchschnittlich 80 Gulden im Jahr. Aber ich war zufrieden. Für die Kuppel am Roh- bau der Melker Stiftskirche bedachte mich Abt Berthold einmal mit 1.500 Gulden. Haben Sie es auch schon erlebt, dass Sie eine berufliche Aufgabe gut erledigt haben und Ihr Vorgesetzter Sie dann mit einer Prämie von fünf Jahresgehältern belohnte? Wohl eher nicht. Also waren die katholischen Bauherren des Barock äußerst freigiebig? Nicht unbedingt. Propst Hieronymus Übelbacher vom Augustiner Chorherrenstift Dürnstein war sehr sparsam, verhandelte hart über Preise und Löhne. Selbst seine Kleidung trug er, bis sie völlig abgenutzt war. Das Baugeschehen am Kellerschlössel, nach meinen Plänen von 1714 bis 1719 errichtet, überwachte er höchstpersönlich. Stets hatte er seine Schreibkalender parat, wo er alles penibel notierte. Denn nicht immer ging es auf den Baustellen so zu, wie sich der Auftraggeber das wünschte. Ich erinnere mich an folgende Notiz: Den 13. September hat der andere Gesell nicht gearbeitet, auch den 16. Vormittag nicht und am Nachmittag auch wieder gesoffen…« Der Propst soll selbst gern ein Gläschen getrunken haben… Sein Wahlspruch Wein ist alles und Wein ist über alles« wurde im Kellerschlössel verewigt. Dem Rebensaft zugeneigt zu sein und einen scharfen Verstand zu haben – das schließt einander ja nicht aus. Ich bin sehr stolz darauf, dass mich Propst Hieronymus als den vielleicht vornehmsten Baumeister von ganz Österreich titulierte… « « Spuren Prandtauers finden sich einige in der Wachau. Ein bestens erhaltenes Zeit-Zeugnis ist das steinerne Wappen am Prandtauer- hof in Joching mit der Jahreszahl 1696. Das barocke Schmuckstück plante der Baumeister im Auftrag des Augustiner Chorherrenstiftes St. Pölten vierflügelig mit zweigeschossigem Arkadenhof und angegliederter Kapelle. Heute verbirgt sich hinter der so heiter anmutenden Fassade eine kulinarische Genusswelt (siehe Seiten 62–64). Foto: Günter Standl Foto: Huberta Weigl Neben Klöstern hat Jakob Prandtauer eine Fülle anderer Bauten errichtet: Schlösser, Bürgerhäuser, Paläste, Stiftshöfe und Gartenge- bäude. Zur Kategorie Lusthäuser zählt das Kellerschlössel in den Dürnsteiner Weingärten. Auftraggeber war Propst Hieronymus Übelbacher, der dem Wein überaus zugetan war. Heute gehört das denkmalgeschützte Juwel zur Domäne Wachau (siehe linke Seite). »Der führnemen Baumaister zu St. Pöltten und viilleicht führnemsten in ganz Oesterreich.« KALENDERNOTIZ DES DÜRNSTEINER PROPSTES HIERONYMUS ÜBELBACHER WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 2 | 87

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