Wachau Magazin 2023

46 | WA C H A U M A G A Z I N 2 0 2 3 ieles ist im Wandel, und der Stammtisch beimWirten, zu dem sich die Einheimischen nach der Arbeit oder am Sonntag nach der Kirche trafen, gehört immer mehr der Vergangenheit an. Eine Zeit lang schien es so, als ob das Gasthaus in seiner eigentlichen Ausprägung überhaupt verschwinden würde. Dem ist zum Glück nicht so, vor allem in Niederösterreich ist man ganz besonders um die Erhaltung dieses gesellschaftlichen Kulturgutes bemüht. In der Wachau finden sich zahlreiche wunderbare Gaststätten, von denen wir in dieser Ausgabe vier Betriebe vorstellen. Weitere folgen im nächsten Wachau Magazin. Jeder dieser vier ist wohltuend individuell, jeder hat seinen eigenen Schwerpunkt. Mal reines Wirtshaus, mal kombiniert mit einem Hotelbetrieb. Mal kulinarisch betont traditionell, mal mit spannenden kreativen Ergänzungen in der Karte. WACHAUERSTUBE Edel-Dorfwirtshaus mit Wein und Design Ein Dorfwirtshaus im renommierten Weinbauort Loiben wie man es sich vorstellt – und wie man es sich wünscht. Mit gemütlicher, holzgetäfelter Stube und historischer Schank; mit einladendem Hinterzimmer, Bretterböden und Stuhllehnen mit ausgeschnittenen Herzerln. Davor ein Schanigarten, an der Wand ein Kruzifix und in der Karte lauter Gerichte, die man sich in einem Gasthaus dieser Art erhoffen darf. Behutsam eingefügte Designelemente wie die moderne Deckenbeleuchtung sowie die frischen Blumen auf den blütenweiß gedeckten Tischen verdeutlichen, dass man nicht etwa ein verschlafenes Wirtshaus der alten Schule betritt, sondern vielmehr eines, in dem auf Details geachtet und mit Liebe gearbeitet wird. Und zwar spätestens seit vor acht Jahren Gerald Diemt den Betrieb übernommen hat. »Die Vorbesitzer gingen damals in Pension, und ich dachte mir, dass so ein Wirtshaus genau das Richtige sei für die Region«, erzählt Diemt, der aus dem Tullnerfeld stammt, gelernter Sommelier ist, zuvor in Wien Lokale leitete und noch früher in London arbeitete. Und gepflegt ist die Wachauerstube allemal. Und zwar sowohl was ihr prachtvolles Interieur betrifft, als auch in Bezug auf die gebotene Küche und die angesichts des Ortes und des Vorberufs des Besitzers erwartungsgemäß exzellent sortierte Weinkarte. Verarbeitet werden in erster Linie Zutaten aus der Region, zu denen auch die erstaunliche Bisonsalami zählt, die von einem niederösterreichischen Zuchtbetrieb stammt. Ansonsten gibt’s vorwiegend Wirtshausklassiker wie ein sämiges Kalbsrahmbeuschel oder ein ebensolches Paprikahendl mit Spätzle, das in der Pfanne serviert wird. Und zur Nachspeise etwa flaumige Palatschinken, gefüllt mit hausgemachter Marmelade aus Wachauer Marillen. Dazu trinkt man am besten und naheliegendsten ein Glas Riesling oder Grünen Veltliner von den umliegenden Terrassen oder aber wählt eine Flasche aus den zahlreichen Wachauer Jahrgangsraritäten. Ebenso toll präsentiert sich die Auswahl an Weinen aus den restlichen österreichischen Weinbaugebieten sowie aus der ganzen Welt. Darunter über ein Dutzend Rieslinge aus Deutschland, der Slowakei oder Australien. ZUM SCHWARZEN BÄREN Ein kochender Wirt als Fischer, Jäger und Obstbauer Eine halbe Autostunde in Richtung Südwesten und gewisserweise am anderen Anfang der Wachau liegt, eingebettet im guterhaltenen historischen Kern des Ortes Emmersdorf, dieser traditionsreiche Familienbetrieb. Gleich um die Ecke fließt die Donau, dahinter erhebt sich das mächtige Barockstift Melk. Als Gasthaus und Herberge dient das Haus bereits seit dem 17. Jahrhundert, damals waren hier auch die Pferde untergebracht, die der Donau entlang die Boote zogen. Seit vier Generationen werden 4-Sterne-Hotel, Restaurant und Gasthof von Familie Pritz betrieben. Während sich seine Gattin Erika um Hotel und Service kümmert, steht Martin Pritz persönlich am Herd. In Sachen regionale Lebensmittel und lokale Rezepte ist er wahrlich Experte. Schweinefleisch stammt zum großen Teil von im Freien gehaltenen Tieren vom Bauernhof Hubmann im nahen Hafnerbach. »Wir verarbeiten in der Regel das ganze Tier«, sagt Pritz, »machen daraus Blunze, Lardo und Schinken«. Aus demWaldviertel kommen die Kälber, deren Fleisch hier zu Wirtshaus- oder Innereien-Klassikern wie Kalbsgulasch und Wiener Schnitzel, beziehungsweise Kalbsbeuschel oder gebackenen Kalbskopf verkocht wird. Eine Spezialität ist die Wachauer Fischsuppe. Pritz kocht sie aus Fischen wie Zander, Karpfen, Forelle und Saibling, die in der Fischzucht Bründelmühle in Großreinprechts gezüchtet werden. Derart mächtige Exemplare, wie sie in der Gaststube an den Wänden prangen und in längst vergangenen Zeiten vom Wirt persönlich gefischt wurden, finden sich in freier Wildbahn heutzutage bedauerlicherweise nicht mehr. V

RkJQdWJsaXNoZXIy NzA5MzY2