Wachau Magazin 2024

26 | WACHAU MAGAZIN 2024 Von biblischen Comics UND RÖMISCHEN HEILIGEN In den zahlreichen Klöstern und Kirchen der Wachau findet sich manch Kurioses. Johanna und Erwin Uhrmann verraten, was selbst für Einheimische vielleicht überraschend ist. DER BAROCKE SCHNELLMALER Unter Kunsthistorikern ist Joseph Adam von Mölk durchaus umstritten. Dennoch sicherte er sich einen Platz in der Kunstgeschichte. Von Maria Theresia zum Ritter geadelt, erhielt der Spross einer Malerfamilie 1772 den Auftrag, die Wallfahrtskirche Maria Langegg im Dunkelsteiner Wald mit Fresken zum Leben der Heiligen Maria auszustatten. Das sehenswerte Ergebnis erinnert unwillkürlich an barocke Comics. Weder findet man in Mölks Bildwelten allzu dralle Engel noch grimmige Heilige. Das Deckenfresko im Chorraum stellt die Geburt Mariens dar, als handle es sich um ein heiteres Kaffeekränzchen unter biblischen Figuren. Die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes sitzen mit gutmütigen Mienen in den Gewölbezwickeln. Ein wenig grotesk wirken die alttestamentarischen Darstellungen. Etwa, wenn eine verzückte Judith den abgetrennten Kopf des Holofernes in der Hand hält, oder Jael dem kanaanitischen Heerführer Sisera mit unbeschwerter Miene einen Nagel in den Kopf treibt. Mölk wurde bei diesem Auftrag jedenfalls einmal mehr seinem Ruf als Schnellmaler gerecht, benötigte er doch mit fünf Mitarbeitern für die gesamte Bemalung der Kirche nur 30 Wochen. Dass er als Genussmensch auch gerne mal am hohen Gerüst ein Weinchen trank, gilt ebenfalls als überliefert. DÜRNSTEINS KATAKOMBEN-HEILIGE Reliquien spielten im römischkatholischen Glauben lange eine ungemein wichtige Rolle. Die Zahl der Skelette von Märtyrern war freilich begrenzt. So wurden ab dem 16. Jh. die Katakomben in Rom geöffnet, um die Nachfrage von Kirchen und Klöstern zu befriedigen, wobei zwei ihren Weg nach Dürnstein fanden. So ruhen die prächtig geschmückten Gebeine von Clemens und Faustinus heute unter den Seitenaltären der hl. Monika und der hl. Katharina in der Stiftskirche. Diese vervollständigten letztlich das aufwendige Konzept von Propst Hieronymus Uebelbacher, damals der große Initiator des barocken Umbaus. NAPOLEONS UNBENUTZTES BETT Französische Truppen überfielen 1809 einmal mehr die Wachau und besetzten Göttweig als Kaserne und Lazarett. Abt Grindberger, der das Stift durch diese sehr harten Zeiten navigierte, versuchte, dem französischen Imperator Erleichterungen abzuringen. Für ein Treffen hatte man daher ein eigenes Schlafgemach vorbereitet, das von Napoleon jedoch unbenutzt blieb (und noch heute zu besichtigen ist). Zum durchaus positiven Gespräch kam es dennoch, auch der vom Abt erhoffte Friede kam einige Monate später. Allerdings recht teuer, denn die Klöster des unterlegenen Österreich mussten sämtliche Gold- und Silberreserven an Frankreich ausliefern. DAS FREMDE KIRCHENPORTAL Weißenkirchens prachtvolle Pfarrkirche Maria Himmelfahrt betreten Besucher an der Südseite durch das Tor der 50 km entfernten Kirche der Braustadt Wieselburg. Das ist unmöglich? Keineswegs und einfach erklärbar. Die Wieselburger waren nach einem Kirchenbrand in den 1950er-Jahren auf jahrhundertealte, sakrale Bauteile gestoßen. Für Erweiterung und Renovierung fehlte es ihnen an Geld, und so verkauften sie Kirchenkanzel, zwei Seitenaltäre und das besagte Portal. Da die Weißenkirchener wegen eines umfangreichen Umbaus einen völlig neuen Eingang benötigten, war das gotische Meisterwerk hoch willkommen und wurde so behutsam in die Wehrkirche integriert, als ob es schon immer da gewesen wäre. BUCHTIPP: Noch viele weitere wunderbare Entdeckungen in der Wachau findet man in diesem Buch von Johanna und Erwin Uhrmann: 111 Orte in der Wachau, die man gesehen haben muss. Emons-Verlag. ISBN 978-3-7408-1668-1

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