Wachau Magazin 2024

70 | WACHAU MAGAZIN 2024 Trinkfenster oder das Entwicklungspotenzial. Sie haben beschreibenden Charakter, das »Wie« schmeckt der Wein. Immerhin haben Steinfeder und Federspiel auch Obergrenzen beim Alkohol und Restzucker. Zudem sind sie allen Vinea-Betrieben zugänglich und zeugen vom Gemeinschaftsgefühl und der Einheit der Wachauer Winzer. Riedbezeichnungen haben erklärenden Charakter, bieten präzise Information über die Herkunft des Weines, und damit auf das »Warum«. Sie setzen aber aufgrund der Vielzahl an Rieden in den Gebieten auch viel mehr Wissen über die Besonderheiten jeder Riede voraus. Dennoch trägt doch eine Klassifizierung der besten Rieden zum Prestige einer Weinregion bei. E.K.: Großartige Weine aus besten Lagen (und das über viele Jahre hinweg) tragen, so denke ich, am meisten zum Prestige einer Region bei. Die Klassifizierung erleichtert die Kommunikation. Wir aber glauben, dass beispielsweise ein talentierter Weinhauer, der in einer tollen, aber wenig bekannten und damit unklassifizierten Riede arbeitet, dadurch wesentlich weniger Beachtung finden würde. Das empfinden wir als wenig demokratisch und nicht dienlich im Sinne eines Wettbewerbs um die besten Lagen. Zumal es in der Wachau noch zahlreiche weniger bekannte Lagen gibt, die in vielen Fällen sehr großes Potenzial haben. Besonders am Südufer oder im Spitzer Graben haben sich in den letzten Jahren einige solcher Lagen hervorgetan. Bei einer Klassifizierung nach dem derzeit gültigen Muster würden diese unter den Tisch fallen. Wie wichtig sind die Rieden-Bezeichnungen für Ihre Region und für Ihr eigenes Weingut? E.K.: Enorm wichtig. Riednamen sind Teil unserer Kultur und datieren oft viele Jahrhunderte zurück, manche bis ins 13. Jhdt. Auf Etiketten finden sich Rieden schon vor dem 2. Weltkrieg, bei uns im Weingut seit den 1950er-Jahren. In den letzten Jahrzehnten haben sie an Bedeutung ständig dazugewonnen. Eine Ihrer prestigereichsten Lagen ist wohl die Riede Loibenberg. Wodurch zeichnet sie sich aus? E.K.: Der Loibenberg (erste Erwähnung 1371) eint die Loibner gewissermaßen, viele Kollegen bewirtschaften hier Weingärten. Sie zählt mit rund 30 Hektar zu den größeren Lagen in der Wachau und ist hauptsächlich südlich ausgerichtet, hat aber auch einige kühlere Ecken. Sie erstreckt sich von 220 m bis auf 400 m Seehöhe und bietet sowohl seichtgründige, karge Gneis-Verwitterungsböden als auch – wenngleich wenige – Böden mit etwas mehr Lössauflage. Es handelt sich also um eine sehr heterogene Lage? E.K.: Durchaus. Der Loibenberg ist eine Lage, die dem Grünen Veltliner, der sich durch seinen Wasserbedarf auf Löss wohler fühlt, genauso zugutekommt wie dem Riesling, der auf kargem Gneis beste Ergebnisse bringt. Zudem lassen die Temperaturunterschiede zwischen den tieferen und höheren Lagen viel Dynamik zu, sodass hier sowohl rassige Federspiele als auch tiefgründige Smaragde entstehen. Gibt es dennoch etwas, was allen Weinen vom Loibenberg gemein ist? E.K.: Ich denke, dass die Mehrheit der Weine vom Loibenberg durch Saftigkeit, Tiefgang und Charme geprägt ist, sowohl beim Riesling wie auch Grüner Veltliner. Sie sind Obmann der Vinea Wachau, gibt es etwas Neues, dass die Vereinigung der Wachauer Winzer zurzeit beschäftigt? E.K.: Nachhaltigkeit spielt in unser aller Leben eine immer wichtigere Rolle. Mit dem Jahrgang 2023 setzt die Wachau neue Maßstäbe – die »nachhaltige Wirtschaftsweise« wird von allen Kollegen, die mit unseren Weinstilen Steinfeder, Federspiel und Smaragd arbeiten, umgesetzt. Damit schließen wir gemeinsam unser 3-Jahres-Projekt ab, das ist derzeit einzigartig in Österreich. Ich bin stolz auf alle Kollegen und Kolleginnen, die diesen Weg mitgehen. Außerdem haben wir derzeit ein Unterstock-Begrünungsprojekt am Laufen. Und nicht zuletzt haben wir voriges Jahr unser 40-jähriges Bestandsjubiläum gefeiert. Die 2023er-Weine – hohes Niveau, regionale Besonderheiten Alles in allem präsentiert sich ein sehr guter bis hervorragender Jahrgang, der wohl für jeden Liebhaber der Wachauer Gewächse das Gewünschte bereithält. Erfreuliche Charakteristika des aktuellen Jahrgangs waren der perfekte Gesundheitszustand des Traubengutes, das völlige Ausbleiben von Botrytis sowie der Umstand, dass auch keinerlei Riesling-Beeren zu Boden fielen. Dank der herbstlichen Schönwetterperiode verlief die Hauptlese unter idealen Bedingungen, wozu auch die von Anfang an kühlen Nächte beitrugen. Erhebliche Differenzen zwischen Tages- und Nachttemperaturen sind für Aromatik und Frische der Weißweine essenziell. Führten die kräftigen Niederschläge Ende August zunächst noch zu einer deutlichen Verzögerung der Traubenreife, so hat diese der goldene« Herbst unerwartet rasch egalisiert und speziell in der mittleren und östlichen Wachau eine rapide Zunahme der Zuckergradationen und ein Absinken der Säurewerte bewirkt. So entstanden bei sehr guter Reife aromatische und dichte Rieslinge mit passender Säurestruktur. Die Grünen Veltliner haben sich im Spitzer Raum puncto Schmelz und Spannkraft wunderbar entwickelt. In den Weißenkirchner Lagen sind sie wegen des Verrieselns während der Blüte, der sommerlichen Trockenheit und schließlich der Reduzierung durch den Hagel mitunter ungewöhnlich fleischig und hoch konzentriert ausgefallen, sodass es auf das Geschick des Kellermeisters ankommen wird, die erwünschte Balance zu erreichen. Rund um den Kellerberg und Loibenberg sind ebenfalls sehr reife SmaragdQualitäten zu erwarten, doch konnten in allen Teilgebieten auch genügend Weine im wichtigen Federspiel-Segment eingebracht werden. Mengenmäßig lag der Ertrag im Westen und Osten im Durchschnitt, während er im mittleren Bereich infolge des Hagels deutlich verringert war. « Dr. Viktor Siegl zählt zu den renommiertestenWeinautoren im deutschsprachigen Raum und schreibt unter anderem regelmäßig fur die Fachzeitschrift VINARIA.

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